Mein Wille geschehe
toller Ort, aber viel los ist da nicht, um ehrlich zu sein. Ich habe zwei ältere Schwestern, die beide verheiratet sind und Kinder haben. Mein Vater lehrt am College dort, und meine Mutter –
die da drüben sitzt – hat sich für die Zeit des Prozesses von ihrem Job an einer Vorschule beurlau-
ben lassen.«
Er blickte zu Barbara hinüber und lächelte ihr zu, 639
und Dana stellte mit Befriedigung fest, dass die
Geschworenen alle zu ihr hinübersahen.
»Ich glaube, man könnte sagen, dass ich ein
ziemlich normales Kind war. Um ehrlich zu sein:
Ich hatte viel zu viel Angst vor dem Pfarrer in
unserer Kirche, um in irgendetwas Schlechtes
reinzugeraten. Wir glaubten, dass er in uns hin-
einschauen könnte, und ich dachte immer, er
würde sofort wissen, wenn ich was ausgefressen
hätte. Dann würde er es Gott sagen, und ich wä-
re übel dran.«
Einige Geschworene lächelten, und auch Dana
dachte amüsiert an den Pfarrer aus ihrer Kind-
heit.
»Ich liebe Iowa zwar, aber als ich in der High-
school war, konnte ich es kaum erwarten, mehr
von der Welt zu sehen«, fuhr Corey fort. »Und da
kamen diese Werbeoffiziere in die Schule und
erzählten von den Vorteilen, die man hat, wenn
man sich dem Militär anschließt. Bei der Marine
kriegt man die Welt zu sehen. Naja, für Sie ist
das wahrscheinlich recht unverständlich, wenn
Sie von hier sind, aber in Iowa hat man keinen
Ozean vor der Tür. Und auf einem Schiff um die
Welt zu segeln hörte sich für mich nach einem
tollen Abenteuer an. Also beschloss ich, dass ich nach Annapolis gehen wollte, und ich wurde auch
aufgenommen. Allerdings muss ich Ihnen sagen,
dass ich ziemlich Mühe hatte mit meinem ersten
Studienjahr. Nicht mehr zu Hause zu sein, das
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war für mich nicht einfach. Aber dann gewöhnte
ich mich daran, und hier bin ich nun, sechs Jahre später. Bislang bin ich hauptsächlich unter Wasser gewesen, aber ich hoffe, es wird noch an-
ders.« Er runzelte die Stirn, als sei ihm etwas
eingefallen. »Tja, ich habe es jedenfalls gehofft, bis das hier passiert ist«, fügte er hinzu.
»Sie erhielten eine Auszeichnung bei den Pfadfin-
dern, nicht wahr, Corey?«, fragte Dana. »Ja«,
antwortete er.
»Und Sie waren auf der Highschool mehrfach
Klassensprecher, nicht wahr? Einige Jahre unter-
richteten Sie auch in der Sonntagsschule Ihrer
Kirche?«
»Ja.«
»Und Sie erhielten in Cedar Falls zweimal eine
Auszeichnung für Jugendliche, die herausragende
Leistungen erbracht haben?«
»Ja.«
»Und welchen Spitznamen gaben Ihnen Ihre
Klassenkameraden im Jahrbuch?«
Er wirkte etwas verlegen. »Naja, ich bin kein Ka-
tholik, müssen Sie wissen, aber sie meinten, dass sei ein Versehen Gottes, und sie nannten mich
›Papst der Zukunft‹.«
»Warum taten sie das wohl?«, fragte Dana.
»Wahrscheinlich, weil sie wussten, wie wichtig
mein Glaube für mich ist.«
»Können Sie uns darüber etwas erzählen?«
»Ich weiß nicht, ob man das wirklich erklären
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kann«, erwiderte Corey. »Glauben ist etwas Pri-
vates. Aber mein Glaube gibt mir die Kraft, mor-
gens aufzustehen und nachts zu schlafen. Er
führt mich. Man könnte wohl sagen, er verleiht
meinem Leben den Sinn. Ich bemühe mich im-
mer, so viel Gutes und so wenig Schlechtes wie
möglich zu tun. Ich bete jeden Tag, und ich ver-
lasse mich darauf, dass Gott mir den Weg weisen
wird.«
»Und hat er das bislang getan?«
»Nun, ich möchte ihn nicht kritisieren, denn meist hat er seine Sache gut gemacht«, sagte Corey.
»Aber wenn ich mir meine jetzige Lage anschaue,
wünsche ich mir doch, er hätte dafür gesorgt,
dass ich in Iowa geblieben wäre.« Ein amüsiertes
Raunen war aus dem Gerichtssaal zu vernehmen,
und Dana lächelte in sich hinein. Er faszinierte die Leute. Sie hörten ihm aufmerksam zu und begannen, ihn sympathisch zu finden, auch wenn
sie es gar nicht wollten. »Glauben Sie, dass Gott vielleicht ein Fehler unterlaufen ist?«, fragte sie.
»O nein«, sagte Corey hastig, als wolle er sich
korrigieren. »Er macht keine Fehler. Ich nehme
an, dass es sich um eine Prüfung handelt. Das
macht Gott gerne, um den Glauben auf die Probe
zu stellen.«
»Glauben Sie, dass es auch eine Prüfung war, als
Ihre Frau abgetrieben hat?«
Er seufzte schwer, und sogar Allison Ackerman,
die in der zweiten Reihe der Geschworenenbank
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saß, sah den Schmerz in seinen Augen.
»Es muss so sein«, sagte er. »Warum sollte es
sonst geschehen
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