Mein Wille geschehe
bestärkt in ihrem
Entschluss. Sie wollte mit diesem Fall aus mehre-
ren Gründen nichts zu tun haben. Ganz gewiss
nicht als erste Verteidigerin und auch nicht als
Stellvertreterin.
Ihr Plan war simpel: Sie würde die Vorarbeiten
leisten, um die man sie gebeten hatte, Cotter ü-
ber die Ergebnisse unterrichten und dann unter
die Sache einen Schlussstrich ziehen.
Sie öffnete den Mund, um den Geschäftsführer
davon in Kenntnis zu setzen. »Ich übernehme die
Verteidigung«, hörte sie sich sagen.
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Bei manchen Prozessen gab es ein großes Me-
dienecho, und bei anderen kamen die Anwälte
groß heraus. Dana hatte in ihrer Kanzlei bislang
in der zweiten Reihe gearbeitet, doch sie wusste, dass ihr das bei diesem Prozess nicht gelingen
würde.
»Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich da
eigentlich tue«, gestand sie ihrem Vater eine hal-be Stunde später am Telefon. »Ich weiß nicht, ob
ich freudig erregt sein soll oder starr vor
Schreck.«
»Eine Mischung aus beidem wäre wohl das Rich-
tige«, bemerkte Jefferson Reid, der in seinem
Büro am Hafen in Port Townsend saß.
»Ich komme mir vor, als sei ich drei Jahre alt und du würdest mich in den Puget Sound werfen«,
sagte sie. »Oh, ich erinnere mich«, sagte er la-
chend. »Und ich erinnere mich überdies daran,
dass du drei Jahre in Folge als Beste des Schul-
Schwimmteams abgeschnitten und vier Rekorde
aufgestellt hast.«
»Das stimmt schon«, gab sie zu. »Aber das hier
ist was anderes.«
»Gewiss«, entgegnete er. »Weil es hier nicht nur
um dich geht.«
»Und genau das macht mir Sorgen.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht genau«, sagte Dana gedanken-
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verloren. »Ich wollte den Fall nicht übernehmen.
Ich habe den Mund aufgemacht, um ihn abzuleh-
nen, und stattdessen zugesagt. Ich wollte Corey
Latham nicht mögen, aber ich konnte nichts da-
gegen tun. Ich mag ihn einfach. Das ganze Land
will ihn für diesen Anschlag verurteilt sehen, und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass er
nichts damit zu tun hat. Ich möchte sicher sein,
dass er jemanden an seiner Seite hat, der nicht
nur Routinearbeit leistet, sondern sich für ihn
einsetzt, verstehst du? Aber wieso glaube ich,
dass ich diese Person sein sollte?«
»Ich vermute, weil du meinst, dass er nur auf
diesem Wege die beste aller Verteidigungen be-
kommt, ganz einfach«, sagte Reid.
»Aber wenn ich nun nicht damit klarkomme? Ich
habe keine Erfahrung mit solchen Fällen. Wenn
ich nun nicht gut genug bin?«
»Du hast es nicht nötig, dir von mir anzuhören,
dass du sehr wohl gut genug bist«, sagte ihr Va-
ter mahnend. »Schau in dein Inneres, Kind. Frag
dich, warum du den Fall angenommen hast.«
Eine Weile herrschte Schweigen am anderen En-
de der Leitung, und der umsichtige und geduldige
Anwalt lehnte sich zurück und wartete ab. Er
wusste, dass seine Tochter ihre eigene Wahrheit
finden würde. Sie brauchte keinerlei Unterstüt-
zung von ihm, um ihre eigenen Motive zu ergrün-
den und, ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.
»Es hat nichts damit zu tun, dass ich mich zu
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sehr auf ihn eingelassen hätte«, sagte Dana
schließlich. »Er tat mir einfach Leid.«
»Das ist doch für den Anfang ganz vernünftig.«
»Ob er nun schuldig oder unschuldig ist, er hat
jedenfalls entsetzliche Angst. Ich meine, der
Mann tut Dienst auf einem Atom-U-Boot, was
doch ziemlich unheimlich ist, und nun sitzt er hinter Schloss und Riegel und fürchtet sich fast zu Tode. Ich denke einfach, dass die anderen in der
Kanzlei nicht wüssten, wie sie damit umgehen
sollten.«
»Dann scheint es doch, als wäre der junge Mann
an den rechten Verteidiger gekommen«, merkte
ihr Vater an. Dana erwiderte nichts. Auf den ers-
ten Blick schien ihr Vater Recht zu haben. Aber er wusste auch nicht alles. »Du hattest doch schon
Verhandlungen mit der Androhung der Todesstra-
fe, Dad«, sagte sie unvermittelt. »Was würdest
du machen, wenn du der Meinung wärst, dass
dein Mandat voreilig verurteilt werden soll?«
»Zum Glück habe ich das nur einmal im Leben
durchgemacht«, antwortete er. »Und ich muss dir
leider sagen, dass es nicht allzu gut ausging. Ich glaube bis zum heutigen Tag, dass der Mann vielleicht unschuldig war. Ich weiß, dass man das
Urteil übereilt getroffen hat. Er wurde hingerichtet, und ich konnte nichts dagegen tun.«
»Und genau davor habe ich Angst.«
»Es gibt bei Prozessen mit Todesstrafe keine ein-
fachen Antworten, und oft
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