Mein Wille geschehe
Auto zurück,
und kehrte mit der Fähre um 18 Uhr 20 von Bre-
merton nach Seattle zurück. »Warum musst du
immer so lange arbeiten?«, fragte Elise irgend-
wann vorwurfsvoll, als sie merkte, dass er um
vier Uhr morgens aufstand, obwohl sie noch bis
acht Uhr schlafen konnte, und so spät nach Hau-
se kam, dass sie das Abendessen immer alleine
machen musste, was ihr bereits nach kurzer Zeit
zuwider war.
»Jemand muss unser Land beschützen«, sagte er
und lächelte sanft, denn es fiel ihm nicht leicht, so lange von ihr getrennt zu sein. »Und in den
nächsten zwei Jahren werde ich das tun.«
Er war weiterhin froh und zufrieden mit seinem
Leben, genoss die wenigen kostbaren Stunden
abends, die er mit Elise verbringen konnte, und
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die Wochenenden und fand dabei sogar noch Zeit
für Aktivitäten in seiner Kirche. Im August war
die nächste Patrouille fällig.
In den nächsten zweieinhalb Monaten bestand
sein einziger Kontakt mit seiner Frau in einem
wöchentlichen »Familien-kurzbrief«, der – Anrede
und Unterschrift inklusive – nicht mehr als fünfzig Wörter enthalten durfte und den er nicht beantworten konnte. Das war eine höchst unbefriedi-
gende Form von Kommunikation, aber auf Grund
der militärischen Wichtigkeit seiner Tätigkeit bei der Marine war alles andere untersagt.
In Gedanken war Corey unentwegt bei seiner
Frau; er träumte von ihr, plante ihre gemeinsame
Zukunft und erinnerte sich so lebhaft und deutlich an jeden Moment mit ihr, dass er zuweilen errö-
tete und einen stillen Winkel aufsuchen musste.
Ende Oktober kehrte er zurück und freute sich
auf das weitere wunderbare Zusammensein mit
seiner Prinzessin.
An einem Samstagnachmittag Mitte März klopfte
es an der Eingangstür des Hauses an der West
Dravus. »Corey Dean Latham?«, fragte einer der
beiden Männer und hielt ihm eine Marke vor die
Nase, die ihn als Kriminalpolizist auswies. Beide Männer trugen dunkle Anzüge. »Ja«, antwortete
er verblüfft, denn er erkannte sowohl die Marke
als auch den Mann.
»Sie sind verhaftet«, sagte der Detective. »Sie
stehen unter Verdacht, den Bombenanschlag auf
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Hill House verübt und einhundertsechsundsiebzig
Menschen getötet zu haben.«
»Was soll das heißen?«, fragte Corey und blickte
vom einen zum anderen.
Keiner beantwortete seine Frage. Stattdessen
kamen sie beide ins Haus, und einer tastete Co-
rey ab, um sicherzugehen, dass er keine Waffe
trug. Dann zerrte er Corey die Arme hinter den
Rücken und legte ihm Handschellen an. Der an-
dere Detective zog eine Karte hervor und las die
unheimlichsten Worte vor, die dem jungen Mari-
neleutnant je zu Ohren gekommen waren. »Sie
haben das Recht zu schweigen…«
Nach kurzer Aufregung, weil man meinte, einen
Mann aus den eigenen Reihen schützen zu müs-
sen, kam die Marine zu dem Schluss, dass sie mit
dem Anschlag auf Hill House nichts zu tun haben
wollte. Als offiziell Anklage gegen Corey Latham
erhoben worden war, wurde der Leutnant unbe-
fristet beurlaubt, vorerst bis zum Ende des Pro-
zesses. Dann zog sich Bangor aus dem Gesche-
hen zurück.
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»Gut«, sagte Paul Cotter freundlich. »Sie haben
ihn getroffen und mit ihm gesprochen – was mei-
nen Sie?« Kluger Stratege und Gentleman, der er
war, hatte er Dana nicht als Erstes am Dienstag-
morgen zu sich bestellt, sondern ihr bis nach der Mittagspause Zeit gelassen, sich alles in Ruhe zu überlegen und eine Entscheidung zu treffen. »Ich
denke, wir haben es hier mit einer voreiligen An-
klage zu tun«, sagte sie mechanisch. Man merkte
ihr nicht an, dass sie nachts kaum ein Auge zuge-
tan hatte. »Wann war der Anschlag, vor sechs
oder sieben Wochen? In dieser Zeit lässt sich
wohl kaum etwas erhärten. Meinem Eindruck
nach ist Corey Latham kein Fanatiker, und er
wirkt auch nicht emotional labil. Ich habe ihn als vollkommen normal empfunden. Ich bin natürlich
keine Expertin«, fügte sie hastig hinzu. »Sie können ja ein psychiatrisches Gutachten erstellen
lassen, wenn Sie möchten.«
»Würden Sie ihn in den Zeugenstand rufen?«
»Müsste man wohl«, antwortete sie. »Wie würde
er bei den Geschworenen abschneiden?«
»Ziemlich gut, denke ich. Er ist fix im Kopf, sieht gut aus, wirkt gepflegt. Er gibt direkte Antworten auf direkte Fragen und macht einen ehrlichen
Eindruck. Der Traum jeder Mama.«
»Glauben Sie ihm?« Dana hatte sich bislang die
Frage nach Schuld oder Unschuld eines Mandan-
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ten
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