Mein Wille geschehe
eintrat, hatte es einen Fehlalarm gegeben,
das war alles. Sam war sich bewusst, dass er
nicht jünger wurde, und er wollte ein Kind haben, solange er noch im Stande war, es großzuziehen.
Nach dem Fehlalarm ließ er sich untersuchen,
ohne es seiner Frau mitzuteilen. Es war ihm pein-
lich, aber er wollte wissen, ob es vielleicht an ihm lag. Doch die Untersuchungsergebnisse waren
einwandfrei, und der Arzt sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen, sondern sich entspannen.
»Manchmal passiert es ganz überraschend«, sag-
te der Arzt. Das war vor vier Jahren gewesen,
und sie waren immer noch zu dritt. Sam begann
sich zu fragen, ob es vielleicht nicht sein sollte und ob er den Traum aufgeben und das genießen
sollte, was er hatte.
Sein Leben war erfüllt. Er hielt zu Hause die Stellung, wenn Danas Arbeit sie wieder einmal zu
sehr in Anspruch nahm. Der Fall Latham würde
seine Fähigkeiten mehr auf die Probe stellen als
alle anderen zuvor, und er sann beim Einschlafen
darüber nach, auf welche Art er seine Familie vor dem Ansturm der Medien schützen konnte, der
auf sie zukam.
»Du bist wohl nicht recht bei Trost«, sagte Judith Purcell, als sie von Danas Entscheidung hörte.
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»Du kannst diesen Fall nicht übernehmen.«
»Hab ich aber schon«, entgegnete Dana. »Aber
wie kannst du diesen Kerl nur verteidigen?«
»Ich bin Anwältin. Das ist mein Beruf.«
»Ach, komm schon«, sagte Judith unwirsch. »Du
weißt genau, was ich meine.«
Dana sah ihre Freundin ruhig an. »Manchmal
müssen wir schwierige Entscheidungen treffen«,
sagte sie sanft. »Sie mögen nicht immer richtig
sein, aber man bemüht sich darum. Und dann
muss man mit den Folgen leben.«
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Man erinnert sich an viele Momente im Leben,
doch dies war der schlimmste Augenblick, an den
Corey Latham sich entsinnen konnte.
Es war erniedrigend gewesen, am helllichten Tag
in Handschellen aus seinem Haus abgeführt zu
werden. Es war demütigend, ins Gefängnis ge-
schafft zu werden, wo man ihn auszog und unter-
suchte, seine Fingerabdrücke nahm und ihn foto-
grafierte. Auch die entnervende Prozedur der
stundenlangen Verhöre war schlimm für ihn.
Doch all das erschien ihm geringfügig im Ver-
gleich zu dem Moment, als er im elften Stock des
Gefängnisses in eine Zelle geführt wurde, die
kaum größer war als das Innere eines Schranks,
und hörte, wie die schwere Stahltür zufiel und
verriegelt wurde.
In diesem Augenblick wusste er, dass er aus die-
sem Raum nicht mehr herauskommen würde,
was er auch tat oder sagte. Er hatte seine Frei-
heit eingebüßt.
Es war noch viel schlimmer, als im U-Boot einge-
sperrt zu sein, und das war schon unangenehm
genug. Obwohl er bereits dreimal auf Patrouille
gewesen war, fürchtete Corey sich noch immer
vor der Enge und seinen eigenen Visionen von
drohendem Unheil. Doch das Leben bei der Mari-
ne hatte er sich selbst ausgesucht, und im U-Boot gab es Dinge, die das Dasein erleichterten: Er
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konnte sich frei bewegen, auch wenn die Räume
winzig waren; er hatte Kameraden; er war sich
bewusst, dass er seinem Land diente und eine
wichtige Mission erfüllte.
Hier war er alleine, der Angst ausgeliefert, die ihn Tag und Nacht heimsuchen konnte. Er wusste,
dass er gefangen war wie ein Karnickel in der Fal-le, in einer Situation, auf die er keinen Einfluss hatte und deren Ausgang er nicht einschätzen
konnte. Sein Herz pochte so laut, dass er glaub-
te, es würde jeden Moment explodieren wie eine
Bombe, passenderweise. Stunde um Stunde, Tag
für Tag war er seinen Gedanken ausgeliefert, sei-
nem eigenen Grauen. Eigenartigerweise hielt er
durch, indem er sich einredete, dass er auf der
Jackson sei, seinem U-Boot; er sagte sich, es
handle sich um eine weitere Patrouille, er müsse
nur einen Tag nach dem anderen durchstehen,
dann sei es bald vorbei. Er stellte sich vor, er lä-
ge wieder bei den Raketensilos, wo er manchmal
schlief, um den argwöhnischen Blicken seines
Ingenieurs zu entkommen. Er bestellte sich Bü-
cher – von Ludlum, Clancy, Follett – und tat so,
als seien die Dialoge darin Unterhaltungen mit
seinen Kameraden. Er verglich die dreiundzwan-
zig Stunden, die er täglich in seiner Betongruft
zubrachte, mit den über siebzig Tagen, die er un-
ter Wasser gewesen war, und sagte sich, dass er
doch hier sogar den Vorzug genoss, über einen
zehn Zentimeter breiten Fensterschlitz zu verfü-
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gen, durch den er den Himmel sehen
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