Mein Wille geschehe
sa-
gen.«
»Aber Sie haben jetzt die Gelegenheit, der Welt
Ihre Version der Geschichte mitzuteilen«, erwi-
derten sie. »Es gibt hier keine Geschichte«, stell-te er klar. »Wir sind einfach nur Eltern, die entsetzt sind über die Vorstellung, dass jemand
glaubt, unser Sohn hätte solch ein Verbrechen
begangen.«
»Haben Sie mit ihm geredet?«, fragte jemand.
»Hat er Ihnen gesagt, ob er’s war?«
»Er braucht uns nichts zu sagen«, entgegnete
Dean ruhig. »Und nun gehen Sie bitte.«
Die Polizei vor Ort versuchte zu helfen, konnte
aber kaum etwas tun, außer die Reporter vom
Grundstück zu vertreiben und dafür zu sorgen,
dass niemand die Straße blockierte. Die Einwoh-
ner der kleinen Stadt dagegen schritten zur Tat.
»Diese Leute in Seattle haben doch keine Ah-
nung«, verkündeten Einheimische, als sie sich
zwischen die Kameras und das Haus der Lathams
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postierten. »Wenn sie Corey so gut kennen wür-
den wie wir, kämen sie niemals auf so eine I-
dee.«
»Ich kenne den Jungen seit seiner Geburt«, sagte
der Pfarrer der United Methodist Church. »Er ist ein guter Mensch.«
»Dieser junge Mann ist seit jeher jemand, der
anderen als Vorbild dienen kann«, erklärte der
Kongressabgeordnete, der Corey gefördert hatte.
»Cedar Falls bekennt sich gerne dazu, Heimatort
von Corey Latham zu sein«, ergänzte der Bür-
germeister. »Er war stets ein geschätztes Mitglied der Gemeinde.«
Barbara Lathams Hände zitterten so heftig, dass
es ihr kaum gelang, die Kleider, die sie auf dem
Bett bereitgelegt hatte, in den beiden Koffern zu verstauen. Sie hatte den ganzen Morgen gebü-
gelt, machte jetzt jedoch ihre Arbeit zunichte bei dem Versuch, sie in die Koffer zu pressen. Sie
atmete tief durch und versuchte, sich zu ent-
spannen. Dean konnte jeden Moment nach Hause
kommen, und dann musste alles gepackt sein.
Sie hatte ein Taxi bestellt, das sie zum Flughafen in Waterloo bringen sollte, weil sie für so eine
kurze Strecke niemand anderen in Anspruch
nehmen wollte. Sie würden um halb fünf nach-
mittags in Seattle landen, doch da das Wochen-
ende bevorstand, würden sie Corey erst am
Samstagabend sehen können.
Allein die Vorstellung, dass ihr Sohn für ein grau-150
enhaftes Verbrechen, das er nicht begangen ha-
ben konnte, im Gefängnis saß, wo sie ihn ledig-
lich dreimal die Woche eine Stunde lang sehen
konnten, war fast unerträglich für Barbara. Seit
sie es erfahren hatte, betete sie inbrünstig, dass die Polizei diesen entsetzlichen Irrtum bemerken
und ihrem Sohn die Freiheit wiedergeben würde.
Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, doch tatsächlich waren erst drei Tage vergangen, seit sie den Anruf von Dana McAuliffe erhalten hatte. Die Anwäl-
tin hatte sich wirklich bemüht, ihr Mut zuzuspre-
chen, doch Barbara wusste, dass man eine Ver-
haftung wegen eines Kapitalverbrechens nicht auf
die leichte Schulter nehmen konnte.
»Corey ist tapfer«, sagte Dana, »und ich finde,
dass er sich sehr gut hält angesichts der Umstän-
de. Aber er wird vermutlich irgendwann in den
nächsten zwei Wochen unter Anklage gestellt,
und das wird schwer für ihn werden. Er sagte
mir, dass er eine sehr enge Beziehung zu Ihnen
hat. Deshalb dachte ich, dass es sicherlich hilf-
reich für ihn sein würde, wenn Sie herkommen
könnten.«
»Wir kommen, sobald es geht«, versprach Barba-
ra. Sie nahmen liebe Wünsche und Botschaften
mit auf den Weg, als sie Cedar Falls verließen.
»Sagt ihm, dass wir ihn lieb haben«, baten Co-
reys Schwestern.
»Richten Sie ihm aus, dass wir für ihn beten«,
sagten der Drogist und seine Frau.
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»W7ir stehen voll und ganz hinter ihm«, versi-
cherte ihnen der Direktor der Highschool im Na-
men aller Lehrer und Schüler.
»Sie können ganz unbesorgt sein, wir kümmern
uns um alles hier«, meinten die Nachbarn.
Der Flug nach Seattle verlief ereignislos, sehr zur Erleichterung der Lathams. Ihr Hotel war sauber
und unpersönlich und in Laufdistanz zum Gefäng-
nis. Sie aßen früh zu Abend und gingen dann
schlafen, doch das Bett und die Geräusche der
Großstadt waren ihnen fremd, und sie lagen bei-
de wach und wagten es nicht, sich zu rühren, um
den anderen nicht zu stören.
Um sich abzulenken, wanderten sie am Samstag
bei strömendem Regen durch Seattle und such-
ten Orte auf, die sie von früher kannten, aber es bereitete ihnen keine Freude. Die Reporter mit
ihren Kameras verfolgten sie. »Jetzt weiß ich, wie Lady
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