Mein Wille geschehe
ausrichten?«
Seine Augen leuchteten, als er den Namen seiner
Frau hörte. »Nur dass ich sie liebe«, sagte er.
»Und dass ich es kaum erwarten kann, sie mor-
gen zu sehen.«
Dana schenkte den Ü-Wagen und den Scharen
von Reportern, die über die Rosensträucher hin-
wegtrampelten, keine Beachtung, stieg die Trep-
pe vor dem kleinen Haus an der West Dravus
hinauf und klingelte. Es war halb sieben Uhr a-
bends, und da sie direkt von der Arbeit kam, trug sie ein graues Kostüm, das sie selbst als »Büro-uniform« bezeichnet hätte. Elise Latham dagegen
trug ein kurzes, eng anliegendes schwarzes Kleid, das an einem Arbeitsplatz äußerst unpassend
gewesen wäre.
»Ich habe nachher noch eine Verabredung mit
Freunden zum Essen«, erklärte die junge Frau,
als sie Danas erstaunten Blick bemerkte.
Elise war über einsachtzig, fast einen halben Kopf größer als Dana, und regelrecht dünn. Unter dem
seidigen Stoff zeichnete sich nur eine Andeutung
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weiblicher Rundungen ab. Ihr hellblondes Haar
schimmerte wie Platin und fiel ihr glatt über die Schultern. Die weit auseinander stehenden Augen
mit den langen Wimpern leuchteten eisgrün, und
ihr Make-up war makellos.
»Wir gehen davon aus, dass die Staatsanwalt-
schaft den Fall innerhalb der nächsten zehn Tage
dem Geschworenengericht übergeben wird«, sag-
te die Anwältin, als sie sich beide auf einem Rat-tansofa in dem kleinen Wohnzimmer niedergelas-
sen hatten. »Und wir sind sicher, dass dann An-
klage gegen Ihren Mann erhoben wird.«
»Ja«, antwortete Elise tonlos.
»Mir ist bewusst, dass Sie zum Teil ebenso sehr
unter dieser Situation leiden wie Corey«, sagte
Dana. »Ich möchte Ihnen versichern, dass wir
alles tun, was in unseren Kräften steht, um ihn so schnell und so unbeschadet wie möglich durch
diese Sache hindurchzugeleiten, damit Sie beide
hoffentlich bald wieder ein normales Leben führen können.« Elise seufzte. »Das wäre schön.«
»Ich muss es sicher nicht eigens betonen, aber
bis dahin braucht er Ihre volle Unterstützung.«
»Natürlich, wie Sie meinen«, sagte Elise. »Ich
werde für ihn da sein.«
»Ein Mensch, der im Gefängnis sitzt, hat immer
eine etwas verzerrte Perspektive«, sagte Dana.
»Ihr Mann ist jetzt völlig isoliert, von allem und jedem abgeschnitten, das ihm etwas bedeutet.
Was er zurzeit am meisten braucht, ist die Ge-
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wissheit, dass Sie hinter ihm stehen.«
»Ich werde mich, sooft ich kann, an diesem
grässlichen Ort sehen lassen«, versprach Elise.
»Ich werd da sitzen, lächeln, Witzchen machen
und ihm erzählen, wie schön die Rosen geblüht
haben. Was kann ich sonst noch tun?«
»Meinen Sie, das ist es, was er braucht?«
»Geht es nur noch darum, was Corey braucht?«,
fragte Elise anklagend. »Und was ist mit mir?
Vielleicht habe ich auch noch ein paar Bedürfnis-
se.«
»Ich weiß, Sie sind sicherlich sehr einsam«, erwiderte Dana mit einem Blick auf das schwarze
Kleid. »Ach, Sie haben doch keine Ahnung«, rief
Elise aus. »Wenn Einsamkeit das Problem wäre,
könnte ich ja noch froh sein.« Dana sah sie prü-
fend an. »Werden Sie schikaniert? Von Nachbarn?
Am Arbeitsplatz? Werden Sie von den Medien be-
lagert? Dagegen könnte man etwas unterneh-
men, wissen Sie.«
»Schauen Sie, es ist nicht gerade ein Spazier-
gang, Gattin eines vermeintlichen Terroristen zu
sein«, erwiderte die junge Frau. »Mein Leben ist
öffentliches Eigentum geworden, und jeder, der
sich eine Boulevardzeitung leisten kann, darf dar-an herum tatschen. Ich kriege Briefe. Anrufe.
Den ganzen Tag, die ganze Nacht. Es nimmt kein
Ende.« Wie um ihre Aussage zu beweisen, klin-
gelte das Telefon, und Elise zuckte zusammen.
»Lassen Sie mich rangehen«, sagte Dana ent-
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schieden und griff nach dem Hörer. »Hallo?«
»Mörderin!«, kreischte jemand und legte auf.
»Werden Sie von allen als Mörderin be-
schimpft?«, fragte die Anwältin.
»Etwa von der Hälfte der Anrufer«, sagte Elise
müde. »Die anderen nennen mich ›Frau eines
Mörders‹.« Sie schauderte. »O Gott, wie ich diese Stadt hasse. Ich will woanders hin, wo mich niemand kennt, wo ich ganz von vorne anfangen
kann. Aber so einen Ort gibt es nicht mehr, oder?
Der Anschlag ist Hauptthema Nummer eins in
den ganzen Staaten, vielleicht sogar inzwischen
in der ganzen Welt. Ich bin also genauso ein Ge-
fangener wie Corey.«
»Verstehe«, murmelte Dana.
»Nein, ich glaube nicht, dass Sie mich verstehen,
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