Mein Wille geschehe
haben wir immer gesagt«, erwiderte sie
leise. »Aber ich bin es möglicherweise auch.«
Brian gluckste. »Unerschütterliche Optimistin«,
sagte er. »Und, was verschafft mir die Ehre dei-
nes Besuchs?«
»Ich war gerade im Haus«, antwortete Dana, was
der Wahrheit entsprach. Sie war spontan in den
vierten Stock gegangen. »Doch um ganz ehrlich
zu sein, frage ich mich auch, wieso du mit der
Anklage gegen Corey Latham deinen Ruf aufs
Spiel setzt.«
»Gute Taktik«, erwiderte er mit anerkennendem
Grinsen. »Muss ich jetzt mit Heulen und Zähne-
klappern anfangen?«
»Nein. Aber ich dachte, gerade du würdest immer
auf Nummer sicher gehen, bevor du einen Ge-
richtssaal betrittst. Ich kenne dich nämlich und
weiß, wie sehr du es hasst, einen Prozess zu ver-
lieren.«
»Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, was ich tue?«
»Das nicht. Aber ich denke, dass du möglicher-
weise ein bisschen zu voreilig gewesen bist.«
»Ah, voreilige Anklageerhebung!« Er zog eine
Augenbraue hoch. »Höre ich hier etwa den ersten
Ansatz einer Strategie?«
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Dana grinste. »Kann man nie wissen«, sagte sie.
Ihren ersten Treffer hatte sie gelandet.
»Dann auf in den Kampf«, sagte er mit gespielter
Ritterlichkeit.
Sie warf ihm einen Kuss zu und ging. Kaum hatte
sich die Tür hinter ihr geschlossen, griff Brian
schon zum Telefon. »Ich will sichergehen, dass
wir in dem Latham-Fall alles unter Dach und Fach
haben«, bellte er in den Hörer. »Nicht, dass er
uns um die Ohren fliegt. Bringen Sie mir alles,
und ich meine alles. Ich will haarklein wissen, wie wir an diesen Typen geraten sind.«
Es war in der Tat eine gute Strategie, musste er
zugeben, als er auflegte. Dana war es gelungen,
ihn nur wenige Tage vor seinem Auftreten vor
dem Großen Geschworenengericht zumindest ein
bisschen zu verunsichern. Dana Reid McAuliffe
war als Anwältin mit allen Wassern gewaschen,
und Brian wusste, dass sie zum Wohl eines Man-
danten durchaus im Stande war, Regeln äußerst
frei auszulegen und aufs Ganze zu gehen. Doch
er wusste auch, dass sie unter keinen Umständen
bluffte.
Der Staatsanwalt brütete über den Akten. Er
wusste, dass der Prozess noch nicht gewonnen
war, aber er hatte auch nicht den Eindruck, dass
er eine schwache Position hatte, und ihm war
sehr daran gelegen, sich den Stress vom Hals zu
schaffen. Er hatte keine Ahnung, ob Latham
schuldig oder unschuldig war, und es war ihm
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auch weitgehend gleichgültig. Angesichts der Be-
weislage schien er schuldig zu sein, und sein Chef konnte es kaum erwarten, den Prozess zu eröffnen, damit ihm der Bürgermeister, der Gouver-
neur und die Presseleute nicht mehr die Tür ein-
rannten. Das war Grund genug für Brian, die Sa-
che voranzutreiben.
»Ich weiß nicht, was McAuliffe zu wissen glaubt«, sagte er schließlich zu seinem Assistenten. »Aber ich bin zufrieden mit dem, was wir haben.« Er
unterließ es hinzuzufügen, dass er weitaus zu-
friedener gewesen war, als er noch nicht wusste,
dass Dana McAuliffe die Verteidigung übernom-
men hatte.
»Wir stehen nicht grandios da«, gab Mark Hoff-
man zu. »Aber auch nicht miserabel. Wir haben
den Sticker am Auto, die Fasern und Materialspu-
ren. Die Nachbarn, den Arzt. Wir sind schon mit
viel weniger angetreten.« Eine Woche darauf
wurde Corey Latham tatsächlich auf Grund der
Beweislage vom Großen Geschworenengericht
des Mordes an einhundertsechsundsiebzig Men-
schen sowie diverser anderer Vergehen ange-
klagt.
»Der Prozess ist für September angesetzt«, teilte man der Staatsanwaltschaft mit.
»Gut«, antwortete Brians Chef. »Dann hoffe ich
doch, dass ich jetzt endlich in Ruhe gelassen
werde.«
»Lassen Sie sich nicht entmutigen«, sagte Dana
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zu ihrem Mandanten. »Das bedeutet lediglich,
dass es auf Grund der Beweislage zum Prozess
kommen wird.«
»Aber was sollen das für Beweise sein?«, fragte
Corey so laut, dass seine Stimme von den violet-
ten Wänden der Gesprächszelle widerhallte. »Wie
können sie Beweise dafür finden, dass ich diese
Menschen getötet habe, wenn ich es gar nicht
getan habe?«
»Das liegt daran, dass sie bislang nur den Anklä-
ger gehört haben«, erklärte Dana. »Wir treten
aber auch noch an, und es klafft da eine große
Lücke zwischen stichhaltigen Beweisen und be-
rechtigtem Zweifel. Ich verspreche Ihnen, das
wird kein Kinderspiel für die Anklage.«
Craig Jessup war ein unauffälliger Mann. Er
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