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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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ausgegangen, wie
    sie es bei all ihren Mandanten tat.
    Ganz allmählich begann sich diese Unschulds-
    vermutung mit Leben zu füllen, als ihr Zweifel
    daran kamen, ob Corey Latham den Anschlag auf
    Hill House begangen hatte. Er war zu verwirrt, zu verletzlich, wirkte zu aufrichtig und glaubwürdig, und die Beweislage war zu dürftig.
    »Ich schätze, ich hab in den letzten zwei Monaten mehr Bücher gelesen als bisher in meinem ganzen Leben«, sagte er im Juli eines Tages verlegen grinsend zu ihr. »Gerade bin ich mit ›Les Mise-rables‹ fertig geworden, und ich muss Ihnen sa-
    gen, ich weiß genau, wie Jean Valjean sich ge-
    fühlt hat.«
    »Er hat sein gesamtes Leben als Opfer zuge-
    bracht«, entgegnete Dana. »Ich hoffe, dass Ih-
    nen das erspart bleibt.«
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    »Er hat einen kleinen Fehler begangen, und da-
    mit fing es an. Aber er war kein schlechter
    Mensch. Ich denke, er hatte Prinzipien. Er war
    bestimmt ein anständiger Mann.«
    »Ich glaube, irgendwann im Leben wird jeder mal
    Opfer gewisser Umstände.«
    Corey seufzte. »Wissen Sie, manchmal liege ich
    nachts wach und horche auf die Geräusche hier«,
    sagte er. »Männer, die in ihren Zellen rumpol-
    tern, sich im Dunkeln was zuraunen, im Schlaf
    aufschreien. Dann denke ich, da gibt es diese
    Welt hier, die existiert parallel zu der Welt, in der ich aufgewachsen bin, und keiner weiß was vom
    anderen.«
    »Diese Welt hier ist nicht Ihre Welt. Das müssen
    Sie gar nicht erst denken«, erwiderte sie nach-
    drücklicher und heftiger, als sie es beabsichtigt hatte.
    Er lächelte sie an, gerührt und traurig zugleich.
    »Wissen Sie was?«, sagte er dann schelmisch.
    »Ich glaube, Sie mögen mich.«
    »Vergessen Sie’s«, erwiderte sie, etwas verlegen
    wegen ihrer heftigen Reaktion. »Wie kommen Sie
    mit Dr. Stern zurecht?«
    »Der ist in Ordnung«, antwortete Corey. »Für
    einen Psychofritzen.«
    »Mögen Sie ihn?«
    »Ich schätze schon. Er ist lustig. Manchmal bringt er mich zum Lachen.«
    »Das geht in Ordnung«, sagte Dana. »Es wäre
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    mir nur wichtig, dass Sie ihn nicht zum Weinen
    bringen.«
    »Meinen Sie, er wird mich für verrückt halten?«
    Dana sah ihn prüfend an. »Möchten Sie das?«
    »Um Gottes willen, nein. Ich halte mich nicht für verrückt. Aber es kommt mir vor, als hätte er ein unsichtbares Mikroskop, mit dem er in mein Hirn
    schaut, und nicht mal ich kenne alles, was da drin ist.«
    Dana lächelte. »Solange Sie ihm die Wahrheit
    sagen«, erwiderte sie, »brauchen Sie sich be-
    stimmt keine Sorgen zu machen.«
    Als Dana an diesem Tag das Gefängnis verließ,
    merkte sie, dass sie nicht mehr nur annahm, Co-
    rey Latham könne unschuldig sein. Sie hielt es
    nun für sehr wahrscheinlich. Und Mitte August,
    nachdem sie vier Monate lang in dem engen, vio-
    letten Raum derartige Gespräche mit ihm geführt
    und sich die Zeit genommen hatte, den Menschen
    kennen zu lernen, dem dieses grauenhafte
    Verbrechen zur Last gelegt wurde, war sie vol-
    lends von seiner Unschuld überzeugt. Kurz nach
    jenem Gespräch hatte Brian Ayres begonnen, der
    Verteidigung sein Vorgehen zu erläutern, indem
    er Material, Analysen und Zeugenlisten zur Ver-
    fügung stellte. Er hatte Beweismittel an der
    Hand, die man in Coreys Auto und seinem Haus
    gefunden hatte, einen Zeugen, der Coreys Auto
    am Abend vor dem Anschlag am Hill House gese-
    hen zu haben glaubte, und diverse andere Zeu-
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    gen, die aussagen konnten, wie Corey gewirkt
    und sich verhalten hatte, als er von der Abtrei-
    bung erfuhr. Dana vertiefte sich stundenlang in
    das Material und probierte an Joan Wills und
    Craig Jessup diverse Ansätze aus, bis ihre Strategie schließlich zusehends Gestalt annahm.
    Sie blickte auf die Schiefertafel an der Wand ne-
    ben ihrem Schreibtisch. Auf einer Seite hatte sie das geplante Vorgehen der Anklage aufgeführt.
    Auf der anderen Seite hatte sie ihren Gegenan-
    griff skizziert. Über die Jahre hatte sie gelernt, wie nützlich es sein konnte, etwas Abstraktem
    eine konkrete Form zu geben. Joan und sie waren
    sich einig darüber, dass die Position der Staats-
    anwaltschaft sogar noch schlechter war, als sie
    beide ursprünglich angenommen hatten, und von
    Tag zu Tag wurde Dana sicherer, dass es ihr ge-
    lingen würde, bei den Geschworenen Zweifel an
    der Schuld des Angeklagten zu wecken.
    Die Beweislage war zwar nicht üppig, doch wenn
    sie nicht hinterfragt wurde, würde sie ausreichen, um die Schlinge um Corey Lathams Hals zu legen. Dana konnte

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