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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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vermutete, und die Pflanze ohnehin resistent dagegen. Thea wusste nicht, welches Präparat Miriam verwendete, um ihr ruhige Nächte zu verschaffen. Und Kontrolle war nicht ihre Art. Andere würden sie für naiv halten. Doch nie hätte sie in fremden Sachen wühlen können. Im Medikamentenschrank im Badezimmer lag jedenfalls kein Schlafmittel.
    Als sie die ersten Nächte durchgeschlafen hatte, war ihr schnell klargeworden, dass das nicht auf natürlichem Weg geschehen war. Ihre Träume waren andere gewesen. Schrecklicher, intensiver, als wenn sie in einem unruhigen Halbschlaf lag.
    Sie liegt auf dem Tisch. Schwer wie in Blei gegossen. Ihr Herz schlägt gegen die Rippen. Wumm. Wumm. Sie öffnet die Augen, schafft es nicht ganz, Schleim klebt die Wimpern zusammen. Sie weiß, wo sie ist. Und ist doch nicht da. Weiß. Alles weiß. Zwischen den Schleimfäden sieht sie das Skalpell in seiner Hand aufblitzen. Sein Pfefferminzatem streift sie. »O p e r a t i o n«, klirrt die Stimme durch ihren Kopf. Sie sieht seine Augen. Kristallklar. Nein! Nicht heute. Nicht noch einmal! Ihr Herz hämmert härter. Sein Mund ist ein grinsender Schlund. Das Skalpell gleitet dicht an ihrem Gesicht vorüber, sie sieht seine weißen Handschuhe, riesig wie Leichentücher. Das Blut brennt sich seine Bahn in ihren Hals und über den Brustkorb, sie spürt, wie es in sie sickert und aus ihr heraus, und sie ist überrascht, dass jede sichere Bewegung seiner Hand einen neuen Schmerzensstrom in das glühende Flammenmeer ihres Daseins jagt. Keine Gewöhnung. Kein Stillstand. Stumme Existenz zwischen Leben und Tod. Nur diese immergleiche Fratze und das grelle Weiß. Seine Stimme. Und seine leisen Schritte, wenn er den Operationssaal betritt und ihn danach, wenn sie wieder nicht gestorben ist, verlässt.
    Sie senkt den Blick, bewegt das Kinn einen Millimeter zu ihrer Brust, noch einen, versucht, das Feuer auszublenden, das sie auffrisst. Ein dritter Millimeter.
    Da sieht sie es. Der Kopf des Skalpells sinkt tief in ihr Fleisch, ihre Brust klafft auseinander, Rot schreit in das Weiß. Sie reißt die Augen auf. Merkt er denn nicht, dass sie wach ist? »Schrei!«, befiehlt sie sich, und der Ruf bricht aus ihrer Kehle, prallt gegen die geflieste Wand, klirrt gegen die blinden Fenster und verfängt sich zwischen den Instrumentenschränken, fällt, ergießt sich sterbend über den Fliesenboden und zerrinnt gurgelnd im Abflussgitter.
    »Bist du jetzt völlig verrückt geworden?«
    Thea fuhr herum. Miriam stand im Nachthemd in der Tür des Waschkellers.
    »Was schreist du so?« Sie kam herein, und ihre nackten Füße platschten auf dem Beton.
    Rasch griff Thea nach dem Vorhang und riss die Tür der Waschmaschine auf. Wurde sie tatsächlich verrückt? Hatte sie wirklich geschrien?
    »Was machst du hier? Mitten in der Nacht und allein! Hat es nicht schon genügend Opfer hier gegeben?«
    Miriams Gestalt schien Thea wie aus Marmor gemeißelt. Schön. Grazil. Doch von unerbittlicher Härte.
    »Was ist das für Wäsche?«
    Thea ließ die Stores fallen. Ein leises Rascheln.
    Stille.
    Blicke.
    Nachdem die Polizei gegangen war, hatte sie kein Auge mehr zugetan. Sie hatte den beiden Männern nichts sagen können. Wollte nichts von alldem wissen. Durfte sich nicht verraten. Sie wunderte sich, dass ihre Beine überhaupt noch die Kraft hatten, sie aufrecht zu halten.
    Miriam trat vor sie, und ihre Augen schimmerten im Licht der Neonröhren wie das blaue Eis eines Gletschers. Thea sah die glatte Haut ihrer Tochter und dachte an die Runzeln Hilde Wimmers, die das Leben in ihr Gesicht gemeißelt hatte und die jede eine lange Geschichte hätte erzählen können. Sie dachte an Martin. Und daran, was nun geschehen würde. »Verzeih«, flüsterte sie, und ihre Beine gaben nach. Sie sank auf den Boden, und wie durch einen Schleier sah sie zuerst Miriams Füße vor sich, spürte im nächsten Moment einen Arm unter ihren Achseln und wie sie sanft auf den umgekippten Wäschekorb gesetzt wurde. Miriams Hand tätschelte ihre Wange. Sie war kühl.
    »Mama? Mama, sag doch was!«, flüsterte Miriam, und ihre Augen flackerten vor Theas Gesicht.
    »Wer bist du?«, sagte Thea und glaubte, ein Strudel risse sie erneut in eine Welt, die sie geglaubt hatte, hinter sich gelassen zu haben.
    »Ich bin’s doch! Miriam!«
    Miriams Arme schlossen sich fest um Thea, und sofort spannte sie alle Muskeln an.
Sie liegt auf dem Tisch. Schwer wie in Blei gegossen.
»Lass mich los«, schrie sie, von Panik

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