Mein wirst du sein
Augen und der Gesichtsausdruck, die ihn verrieten. In seinen Augen lagen Nachsichtigkeit und Güte, die jedem Menschen suggerierten, dass es die Lösung aller Probleme gab.
Das konnte heiter werden.
Er erhob sich, als ich auf ihn zusteuerte, und vor mir stand ein nicht besonders großer Mann mit etwas zu langen Haaren, deren Farbe an einen räudigen Straßenköter erinnerte. Seine Jeans waren ein wenig zu groß, löchrig und sahen speckig aus. Die schwere Kette, die als Gürtel oder Verzierung darin verschlungen war, klimperte wie bei einem Schlossgespenst. Und das langärmlige, schwarze Shirt mit den farbenfrohen Motiven hätte ebenfalls eine Wäsche nötig gehabt.
In seinem bartstoppeligen Gesicht mit den feinen Zügen wirkte seine Nase zu groß und zu klobig.
»Ich bin Rafael«, schnurrte er mit leise singendem Tonfall. Er erinnerte mich an einen Pfarrer. Ich mochte keine Kirchen.
Er reichte mir die Hand, die ich gern übersehen hätte. Ich schüttelte sie trotzdem und wischte meine Finger verstohlen an meinen Jeans ab. Dann setzte ich mich ihm gegenüber und stellte mich vor.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte er und breitete seine Arme aus.
Ich schluckte, überhörte das Du und holte Luft.
»Ich bin Privatdetektivin und hatte ja bereits angedeutet, dass ich einige Fragen zu einer Frau habe, die Sie kürzlich getroffen haben.«
»Was ist mit der Frau?«
»Sie wird vermisst, und jetzt versuchen wir zu rekonstruieren, wie ihre letzten Tage ausgesehen haben und mit wem sie sich getroffen hat.«
»Aha.«
»Sie haben Susanne Dauber getroffen, ist das richtig?« Ich holte das Foto aus der Tasche und zeigte es ihm.
Beim Anblick des Bildes begann er verklärt zu lächeln, und ich fragte mich, woraus sein Abendessen bestanden haben mochte.
»Ja, ich erinnere mich. Eine charmante Person.«
»Sie geben also zu, diese Frau zu kennen und sich mit ihr getroffen zu haben?« Warum war ich nur so aggressiv?
»Natürlich. Ich habe auf eine Kontaktanzeige geantwortet.« Er sah mich an. Auf eine Art jedoch, dass mir unwohl wurde. Seine Hände rutschten ein Stück nach vorn in meine Richtung.
»Was darf’s sein?« Ich zuckte zurück. Die Kellnerin hatte sich unbemerkt genähert. Ich war von Rafael Winter gleichermaßen fasziniert und abgestoßen, sodass ich die Frau nicht hatte kommen sehen.
Mit einem Räuspern bestellte ich eine Cola.
»Weißt du, ich treffe nicht so viele Frauen«, nahm mein Gegenüber den Faden wieder auf. »Ich habe Schwierigkeiten, Frauen anzusprechen. Ich finde das mit Anzeigen einfacher. Da kann man zunächst einmal anonym bleiben. Wenn die Frauen einen dann interessant finden, melden sie sich schon.«
»Wann haben Sie Frau Dauber getroffen?«
»Das ist schon einige Wochen her.«
Die Kellnerin brachte die Getränke, und er griff nach dem Glas. Meinem Glas. Mit seinen Fingern.
Mir stellten sich die Nackenhaare auf, und ich biss die Zähne zusammen, bewegte mich jedoch nicht.
»Es muss ein Donnerstag gewesen sein. Ja, ich erinnere mich, ein Donnerstagnachmittag. Es war ein sehr interessantes Gespräch. Eine nette Frau. Leider lagen wir nicht auf einer Wellenlänge, deswegen wollten wir uns nicht mehr treffen.«
Ach, tatsächlich.
»Wer hat das festgestellt? Ich meine, dass Sie nicht zusammengepasst haben.«
»Sie, leider. Ich hätte sie schon gern wieder gesehen. Seit meine Frau mich verlassen hat, habe ich keine Beziehung mehr gehabt.«
Das wunderte mich nicht.
»Sie leben getrennt?«
»Geschieden. Ich hatte ein kleines Alkoholproblem, da hat sie mich verlassen. Doch ich bin ein neuer Mensch geworden, seit ich im Kloster war. Deswegen engagiere ich mich jetzt auch im sozialen Bereich. Ich möchte nicht, dass die Jugendlichen auf die schiefe Bahn geraten. Sie haben es im Leben schwer genug. Wie ist denn dein Leben so? Hast du einen Partner?«
Alles in mir drängte nach draußen. Ich wollte mir die Hände waschen und weg von diesem seltsamen Typen, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. Seiner Ex-Frau konnte ich nur gratulieren.
»Lassen Sie uns noch einmal auf Frau Dauber zurückkommen. Vergangenen Mittwoch haben Sie sie nicht zufällig gesehen?«
»Nein.«
»Was haben Sie am vergangenen Mittwoch gemacht?«
»Gearbeitet, wie jeden Tag. Soll das ein Verhör werden?« Er hatte die Hände weggenommen und hielt sie nun verschränkt vor seinem Körper. Seine Augen waren zusammengekniffen und bohrten sich in mich hinein.
»Nein, aber wenn Sie Frau Dauber nicht gesehen
Weitere Kostenlose Bücher