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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rodeit
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abstatten und im ›Jazz-Keller‹ nach dem Rechten sehen, ehe ich mich mit Rafael Winter traf. Wenn ich ein bisschen Glück hatte, war dieser komische Erich in der Bar, dann konnte ich ihn gleich unter die Lupe nehmen und mir selbst ein Bild von ihm machen. Fanny war zwar eine gute Freundin, aber ich verließ mich doch lieber auf mein eigenes Urteilsvermögen.
    Lou hetzte auf den Hof, noch ehe ich den Motor abgestellt hatte. Immerhin konnte ich aussteigen, bevor er mich zu nerven begann. Dann aber legte er los, als gäbe es kein Morgen mehr.
    »Mein Gott, Kind! Hast du die Vermisste gefunden?« Seine Stimme hatte schon wieder Höhen erklommen, dass ich ernsthaft Angst um die Fensterscheiben bekam.
    War ich Superwoman?
    Ich seufzte.
    »Lou, wie soll das denn so schnell gehen? Ich weiß ja noch nicht einmal, wo ich anfangen soll zu suchen. Das dauert seine Zeit.«
    Er sackte theatralisch in sich zusammen. Und tat mir leid.
    Ich gab ihm einen aufmunternden Klaps auf die Schulter.
    »Komm, lass uns reingehen«, sagte ich fröhlicher, als ich bei seinem Anblick war.
    Schweigend trabten wir nebeneinander her in die Bar. Ich winkte Fanny zu, die hinter dem Tresen stand und den Bestand an Flaschen überprüfte. Fragend hob sie eine Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit und ein Glas an. Ich schüttelte wild den Kopf. Mir ging es zwar besser, aber nach Alkohol stand mir nicht der Sinn. Sie grinste nur und stellte die Flasche weg.
    Fannys Cocktails hatten es in sich. Gestern Abend hatten wir ›Canchanchara‹ getrunken. Ein Gebräu, das seinen Ursprung auf Kuba hatte, genauer in Trinidad, einer Stadt im Süden des Landes, und das aus einer interessanten Mischung aus Honig, zerstoßenem Eis und Rum bestand. Es schmeckte himmlisch, der Kater jedoch war die Hölle.
    »Hallo«, sagte eine dunkle Stimme hinter mir, und ich drehte mich wie von der Tarantel gestochen um. So musste es sich anhören, wenn der Sensenmann aus dem geschaufelten Grab grüßte.
    Groß und hager und ganz in Schwarz gekleidet, lehnte Andreas in einem Clubsessel. Die Lässigkeit in Person. Vor sich eine Flasche Bier, und zu seinen Füßen Flocki, die dänische Dogge. Wer auf die idiotische Idee gekommen war, dieses Tier Flocki zu taufen, entzog sich meiner Kenntnis. Es war das größte und hässlichste Hundevieh, das ich je gesehen hatte, und es sabberte ständig. Aber die Dogge war brav. Von ihr sah und hörte man nichts, sie war zufrieden, wenn sie zu Füßen ihres Herrchens liegen konnte und man sie in Ruhe ließ. Ab und zu hob sie den Kopf und sah die Menschen um sich herum mit wissendem, weisem Blick unter hängenden Lidern an.
    Ob Tiere intelligenter waren als Menschen?
    Was mich unweigerlich zu der Frage führte, was wir uns auf unsere Intelligenz eigentlich einbildeten. Nicht wissend, ob es nicht schlauere Wesen als uns gab. Vielleicht direkt vor unserer Nase?
    Das waren interessante Fragen, auf deren Beantwortung ich jedoch bis zum nächsten Leben würde warten müssen. Vielleicht auch noch länger.
    Andreas sah mich einfach nur an. Seine Augen wirkten im Schummerlicht fast schwarz wie seine Röhrenjeans und das enganliegende T-Shirt. Die ebenfalls schwarzen Haare waren glatt, er trug sie kinnlang.
    Seinem Blick konnte ich nichts entnehmen. Doch jedes Mal, wenn er mich ansah, fühlte ich mich irgendwie nackt. Es war nicht so, dass er mich mit Blicken auszog. Es war vielmehr, als habe er die Macht, tiefer zu blicken als alle anderen Menschen dieser Welt. In das verborgene Innere sozusagen. Vor ihm konnte man bestimmt nichts geheim halten, weil er einen sofort durchschaute, auch wenn man nichts sagte.
    Ich fühlte mich nicht unwohl, auf seltsame Art und Weise war es ein prickelndes Gefühl. Und ich wusste, dass es nicht nur mir so ging. Mit Fanny hatte ich darüber bereits ausführlich diskutiert, und auch Cosima schien gegen diese Blicke nicht immun zu sein. Was mich beruhigte. Manchmal hielt ich sie für einen Eisblock.
    Über Andreas wurde allerlei gemunkelt, beispielsweise, er sei als Söldner im Jugoslawien-Krieg und dann in Afghanistan gewesen. Ich glaubte das sofort. Er war groß gewachsen und muskulös an den richtigen Stellen. Doch seine Vergangenheit war ein Geheimnis. Er erzählte nichts darüber. Es schien, als existiere er nur im Hier und Jetzt.
    Ich grüßte verhalten zurück und setzte mich mit Lou in eine kleine Nische, wurde aber das Gefühl nicht los, dass Andreas uns beobachtete.
    Außer Andreas waren noch keine Gäste da, doch

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