Mein wirst du sein
haben, dann müssen Sie auch nichts befürchten. Es geht darum, Verdächtige auszuschließen.«
»Bin ich etwa verdächtig?« Er legte die Hände wieder auf den Tisch und sah mich mit leicht schräg gehaltenem Kopf interessiert an.
»Sind Sie nicht«, antwortete ich und konnte nicht verhindern, dass sich Ungeduld in meine Stimme schlich. Ich hatte genug. »Also?«
»Ich habe gearbeitet. Ich war bei den Jugendlichen in der Hirschstraße und habe mit ihnen geredet. Das ist mein Job, und davon lebe ich. Aber Susanne habe ich nicht gesehen.«
Urplötzlich schnappten seine Hände zu. Ich hatte nicht rechtzeitig reagiert und nun eine schmutzige Pranke auf meiner zarten Hand liegen.
»Was soll das?«, fragte ich leise und sah ihn unverwandt an. Ich fühlte mich wie ein Tauchsieder, kurz bevor das Wasser zu brodeln begann.
»Du bist mir von einer höheren Macht geschickt worden.« Sein Gesicht hatte einen verklärten Ausdruck angenommen. Seine Unterlippe war nach vorn geschoben, und seine Zungenspitze deutlich sichtbar. »Wir sind füreinander bestimmt.«
»Sie haben nicht mehr alle Tassen im Schrank. Lassen Sie sofort meine Hand los.« Langsam hob ich das rechte Bein.
»Sonst was?« Seine Stimme war spielerische Provokation.
»Sonst ramme ich Ihnen meine Schuhspitze in die Eier, dass Sie heute Nacht noch hier sitzen, weil Sie nicht mehr laufen können.« Ich hatte das in dem gleichen liebenswürdigen Tonfall gesagt, in dem ich mich für eine Einladung bedankt hätte. Mein Fuß lag jetzt auf seinem Schoß, und die Fußspitze strich über sein empfindlichstes Teil.
Er lächelte noch immer. War er vollkommen bescheuert? Ich erhöhte den Druck und sah ihn einfach nur an. Sekunden verstrichen, dann drückte ich die Schuhspitze weiter nach vorn.
Seine Augen wurden schwarz und funkelten. Dann wandte er den Blick ab und ließ meine Hand los. Den Bruchteil einer Sekunde später schrie er laut auf.
Ich lehnte mich zurück. Das Zuckerfässchen stand wieder an seinem Platz, als wäre es nie weg gewesen, aber Rafael Winter hielt seine Hand und funkelte mich böse an.
»So etwas macht man nicht mit mir«, zischte er mich an.
»Ach ja? Mit mir macht man so etwas auch nicht.« Ich stand auf. »Ich werde Ihre Geschichte überprüfen.«
»Nur zu.«
Ich spürte, wie sein hasserfüllter Blick mir folgte. Ich ging zur Kellnerin und wechselte ein paar Worte mit ihr. Dann verließ ich das Café.
Ich überlegte, wie Rafael Winter reagieren würde, wenn die Kellnerin ihm meine Cola in Rechnung stellte. Ob er es überhaupt merken würde? Entweder hatte er einfach einen Schlag oder er war bekifft gewesen. Einerlei, ich musste ihn überprüfen, mit ihm stimmte etwas nicht.
Da erklangen die ersten Töne von ›Aquarius‹. Das hatte mir zu meinem Glück gerade noch gefehlt! Es dudelte weiter, während ich überlegte, ob ich rangehen oder es überhören sollte. Die letzten fünf Anrufe hatte ich abgewiesen. Und wenn ich sie weiterhin ignorierte, würde sie mich womöglich besuchen. Und das musste ich um alles in der Welt verhindern.
Ich atmete tief durch und versuchte mich zu sammeln, um das Kommende ohne bleibende Schäden über mich ergehen zu lassen.
»Mama, …« Meine Stimme hörte sich für mich wie Kaugummi an.
»Kind, wo steckst du denn die ganze Zeit?«
Ich wusste, dass die Antwort sie nicht interessierte, also hielt ich den Mund und wartete, dass sie weiterredete.
»Ich habe schon ein paarmal versucht, dich zu erreichen.« Es klappte immer.
»Ich muss dringend mit dir reden. Ich war wieder bei einer Séance. Und was glaubst du, was da passiert ist?«
Ich schloss die Augen.
»Sie hat wieder mit mir Kontakt aufgenommen.«
»Wer?«
»Na, diese Susanne.«
»Und was heißt das?«
Ich hörte sie erfreut Luft holen.
»Nun, die Wesen, die mit uns kommunizieren, sind Geister.«
»Geister? Sie sind tot?«
»Äh, natürlich. Was dachtest du denn? Mit Lebenden kann ich doch auch so reden.«
Ja klar. Und was jetzt weiter?
»Auf jeden Fall ist es so, dass sie mich um Hilfe gebeten hat. Sie hat mich geradezu angefleht.«
»Und du bist sicher, dass sie Susanne geheißen hat?« Warum nur zweifelte ich an dieser Geschichte?
»Jetzt unterbrich mich doch nicht die ganze Zeit.« Ich sah förmlich vor mir, wie sie sich mit der Hand empört das feuerrote Haar zurückstrich. Gefärbt, natürlich. Aber kraus wie meines.
»Entschuldigung«, murmelte ich und fragte mich, warum ich das sagte.
»Sie wollte auf jeden Fall, dass ich
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