Mein wirst du sein
der ›Jazz-Keller‹ erstrahlte bereits in festlichem Glanz. Das rote Interieur wirkte warm und einladend, indirekte Beleuchtung sorgte für ein sanftes Licht, und auf den Tischen standen Kerzen, die Fanny anzünden würde, wenn sich Gäste setzten.
Die Band war noch nicht da, und auch von Cosima war noch nichts zu sehen. Im Hintergrund lief leise das Radio und dudelte aktuelle Songs und Evergreens vor sich hin.
»Die Polizei war schon wieder hier.« Lou wischte sich Schweißperlen von der Stirn.
»Schon wieder?« Langsam machte ich mir auch meine Gedanken. Obwohl, es wunderte mich nicht. Bei Lous Vorgeschichte stürzten sie sich vermutlich auf jeden Strohhalm, der sich ihnen bot. Und er hatte nun einmal gesessen. Übertrieb aber auch bisweilen. »Was wollten sie denn jetzt schon wieder?«
»Alles noch einmal durchkauen«, klagte er mit jammervoller Miene und drehte seinen Hut in den Händen.
Ich hatte es mir fast gedacht. Ob er da nicht zu viel hineininterpretierte?
»Hast du schon etwas? Irgendetwas? Eine Kleinigkeit?«
Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, so verzweifelt, wie er war. Aber ich schüttelte den Kopf.
»Lou, ich habe doch erst angefangen. Heute Morgen war ich bei Marina Waldner, und gerade vorher bei Herrn Dauber. Ich muss erst einmal sehen, worauf das hinausläuft, ehe ich Vermutungen anstellen kann.«
»Hast du denn nichts Neues erfahren?«
»Nun, vielleicht.« Wenn man davon ausging, dass Marina Waldner der Polizei nichts von den Kontaktanzeigen erzählt hatte. Zumindest hatte ich einen Vorsprung gegenüber den Ordnungshütern, die scheinbar Lou als potenziellen Täter für was auch immer ins Visier genommen hatten.
»Sag mal«, lenkte ich ab und schlug die Beine übereinander. Mir war seltsam zumute, ich spürte einen Blick in meinem Rücken. Andreas, der auf den Grund meiner Seele zu blicken versuchte? Augenblicklich bekam ich eine Gänsehaut. Und ich konnte noch nicht einmal sagen, dass es unangenehm war. »Fanny sagte etwas von einem Erich, der hier aufgetaucht ist und der ihr seltsam vorkommt. Kennst du ihn näher?«
Lou blickte überrascht auf.
»Ja klar, der ist seit Kurzem hier Gast.« Die Hysterie war Eilfertigkeit gewichen. »Der ist wirklich ein bisschen komisch.«
»Warum?«
Lou zuckte unschuldig mit den Achseln und sah beschämt auf seinen Hut hinunter, der mittlerweile etwas zerknautscht aussah. »Er sitzt immer da und redet nicht viel. Und er ist ständig allein.«
»Kommt er dir vielleicht deswegen komisch vor, weil er von dir ablenkt?«, fühlte ich vor.
»Aber er ist ungefähr zur gleichen Zeit aufgetaucht wie die beiden Frauen.«
Ich seufzte.
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Natürlich! Was glaubst du denn?«
»Und was haben die gesagt?«
»Nichts.«
»Ich werde ihn mir ansehen, okay?«
Noch immer spürte ich diesen Blick in meinem Rücken. Ich war versucht mich umzudrehen, doch aus welchen Gründen auch immer, wagte ich es nicht.
»Sag mal, Lou, hast du irgendwelchen Ärger?«
Der abrupte Themenwechsel erwischte ihn eiskalt. Er zuckte zusammen, sein Gesicht verschloss sich und er schüttelte den Kopf. Keine Frage, er verheimlichte mir etwas.
»Raus mit der Sprache.«
»Es ist nichts«, sagte er störrisch und trotzig wie ein kleines Kind.
»Hast du Ärger?«
Kopfschütteln.
»Lou, wie soll ich dir denn helfen, wenn du mir nicht die Wahrheit sagst?«
Plötzlich war das unangenehme Gefühl verschwunden. Ich drehte mich um. Doch da war niemand. Flocki lag zwar vor dem Sessel, aber Andreas war weg. Hatte ich mir alles nur eingebildet?
»Es hat nichts damit zu tun«, riss Lou mich aus meinen Gedanken. »Basta.«
Ich seufzte und stand auf. Er würde nicht mehr sagen, dazu kannte ich ihn mittlerweile zu gut. Ich konnte nur hoffen, dass er keine Dummheiten machte. Und dass es wirklich nichts mit dem Fall der Vermissten zu tun hatte.
»Okay. Ich muss gleich noch einmal los, ein wenig recherchieren.«
Von Rafael Winter wollte ich ihm vorläufig nichts erzählen. Zu seinem eigenen Schutz. Auf seine bohrenden Nachfragen schwieg ich eisern. Strafe musste sein.
Lou gab schließlich auf und nickte ergeben. Er war aufgestanden und hatte meine Hände ergriffen.
»Bitte, finde die Frau, damit der Albtraum ein Ende hat.«
Ich versprach es, damit er mich losließ. Obwohl ich im Moment keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte.
Ich wollte ein paar Worte mit Fanny wechseln, vielleicht konnte sie mir noch ein bisschen was über Erich
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