Mein wirst du sein
nicht in Ordnung bringen könnte.«
Er legte den Kopf schief und sah mich nachdenklich an.
»Was denn jetzt?«
Pause. Eine viel zu lange Pause. Ich hörte auf zu kauen, das Brötchen in der Hand, vor dem Mund verharrend. Die Zeit stand still.
»Er ist nicht der Serienmörder.«
Bitte? Ich schluckte hinunter.
»Willst du mich verarschen? Er ist nicht der Serienmörder? Wieso?«
»Er hat ein Alibi für den Mord an Susanne Dauber und auch für die davor. Er war in einer Entzugsklinik, und das Personal schwört Stein und Bein, dass er seine Therapien alle gemacht hat. Er war kilometerweit entfernt. Und lebte anschließend zwei Jahre in einem Kloster in Indien. Er kann es nicht gewesen sein.«
In der Stille war das Gluckern der Kaffeemaschine überlaut zu hören, und ich stand automatisch auf und schaltete sie aus.
»Aber warum ist er dann bei mir eingebrochen?«
»Er hat sich schlicht und ergreifend in dich verguckt. Er ist ein Stalker, der dir das Leben zur Hölle gemacht hat. So schlimm das für dich gewesen ist. Er ist der Meinung, dass ihr füreinander bestimmt seid, dass du ihm gehörst und derlei Blödsinn. Ich denke, dass er verurteilt werden wird und wieder in einer Klinik landet. Er wird niemandem mehr etwas tun. Aber die Morde hat er nicht begangen.«
Ich saß da wie vom Donner gerührt und sagte erst einmal nichts. Das Blut rauschte in meinen Ohren, ich war allein. Dann begannen die Rädchen in meinem Gehirn sich wieder zu drehen. Zuerst langsam, dann immer schneller.
Meine Suche nach dem Täter war also noch nicht zu Ende. Ich hatte das Gefühl, mich im Kreis zu drehen, und wieder beschlich mich eine Ahnung, etwas übersehen zu haben. Nicht nur ein nebensächliches Detail, es war etwas Gravierendes, dessen war ich mir nun sicher.
Ich hatte noch drei Optionen. Eine Spur führte nach Salem in das Internat, und ich musste unbedingt dorthin fahren. Die andere war das falsche Alibi von Tobias Goldmann. Ich hütete mich, Mark davon zu erzählen. Und dann gab es da ja immer noch Erich Weber.
»Und jetzt?«
Mark seufzte.
»Jetzt gehen die Ermittlungen weiter. Ich habe im Moment keine Ahnung, wo ich ansetzen soll.«
Ich schon, aber das werde ich dir bestimmt nicht auf die Nase binden. Den Fall wollte ich allein lösen, ohne seine Hilfe. Es war an der Zeit, ihm zu zeigen, dass ich nicht mehr das kleine Mädchen von damals war.
Schweigend aßen wir zu Ende, und dann hielt ich Wort. Ich zog mich an und fuhr brav mit ihm zum Revier, um meine Aussage zu den Vorfällen der gestrigen Nacht zu Protokoll zu geben.
Doch die Vernehmung zog sich in die Länge, sodass ich erst gegen halb drei wieder zu Hause war. Da ich meine Neugier kaum noch bändigen konnte, führte mich mein erster Weg zum Telefon. Natürlich hatte ich Mark kein Wort davon erzählt, dass ich noch ein paar Eisen im Feuer hatte. Mein schlechtes Gewissen hielt sich in Grenzen.
Es dauerte, bis ich den Rektor vom Internat Salem in der Leitung hatte, und zunächst war er sehr zurückhaltend. Erst als ich ihm erklärte, dass eine mögliche Mordserie ihren Anfang in seiner Schule genommen haben könnte, taute er auf und erklärte sich bereit, mir zu helfen.
Allerdings war er 1998 noch nicht am Internat gewesen. Er hatte seinen Dienst erst im Jahr 2003 angetreten, von dem Mord aber gehört. Noch heute, so sagte er, erzählte man sich davon. Umso schlimmer war für ihn die Tatsache, dass der Mörder nie gefunden worden war.
Doch er versicherte mir sich umzuhören. Ein Lehrer, der kurz vor dem Ruhestand war, sei zum damaligen Zeitpunkt schon im Dienst gewesen. Er wollte mit ihm reden und sich anschließend wieder bei mir melden.
Das Warten auf den ersehnten Anruf verbrachte ich mit dem Aufräumen meiner Wohnung. Langsam wuchs sich das zu einer unliebsamen Gewohnheit aus. Ich hatte in den letzten zwei Wochen öfter geputzt und aufgeräumt als im ganzen vergangenen Jahr.
Der erlösende Anruf kam, als ich fast fertig war. Der Rektor hatte mit Herrn Berger, dem älteren Lehrer, reden können, und der war bereit, sich morgen Vormittag mit mir zu treffen.
Anschließend rief ich Jens an. Immerhin hatte ich ihm den Tipp zu verdanken, also war es nur recht und billig, dass ich ihn informierte. Eigenmächtig versprach ich ihm die Exklusiv-Story, und Jens war hin- und hergerissen. Am morgigen Tag wurde das Urteil für einen aufsehenerregenden Prozess in Ulm erwartet. Allein die Zusammensetzung der beteiligten Personen versprach ein unterhaltsames Spektakel
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