Mein wunderbarer Brautsalon
anderen gerade dabei, eine sehr ausgefallene Version von »Another Day in Paradise« zu jammen. Malte, Torsten und Nina nicken mir nur zu, spielen aber unbeirrt weiter. Ich packe die Gitarre aus, schließe sie an den Verstärker an, stelle mich ans Mikrofon und finde mich in den Refrain ein. »It’s just another day for you and me in paradise«, grölen Nina und ich zweistimmig, was bei uns beinahe dreistimmig klingt, weil irgendein schiefer Ton dazwischenhängt. Mit einem energischen Fußtritt werfe ich das Wah-Wah an, so dass meine Gitarre losquäkt und man die schrägen Töne fast nicht mehr hört. Gleich viel besser so.
Ohne Pause spielen wir danach noch fünf andere Stücke aus unserem Repertoire und enden dann mit »Love Lifts Us Up Where We Belong«, was sich tatsächlich gar nicht so übel anhört. Soweit man das beurteilen kann, wenn man selbst mittendrin steht. Aber ich mochte diesen Song schon immer: »Who knows what tomorrow brings, in a world few hearts survive …«
Nachdem die letzten Akkorde verklungen sind, wirft Nina Torsten einen genervten Blick zu. »Du hast schon wieder ein anderes Tempo gespielt als wir«, stellt sie fest. »Das ist eine Ballade, keine Up-Tempo-Nummer!«
»Falsch«, erwidert Torsten, »nicht ich bin zu schnell, ihr seid zu langsam. Immerhin bin ich der Drummer, und der gibt nun mal bekanntlich das Tempo vor.«
»Das hättest du wohl gern«, giftet Nina zurück, »immer schön den Ton angeben.«
»Das ist eben …«
»Ey, hört doch mal auf«, gehe ich dazwischen. »Müsst ihr euch schon wieder so beharken? Die Nummer war doch ganz gut!«
»Du sei mal ganz still«, nordet Nina prompt mich ein. »Wir haben eine geschlagene Stunde auf dich gewartet!«
»Und das hat nicht gerade zur besseren Stimmung beigetragen«, pflichtet Torsten ihr bei. Super, dann bin ich jetzt der Buhmann. Seit Ewigkeiten sind Nina und Torsten verheiratet, aber in letzter Zeit kriegen sie sich immer öfter in die Wolle. Beziehungskrise?
»Mal was ganz anderes«, wechselt Malte elegant das Thema. »Ich hab vorhin einen Anruf bekommen, da will uns vielleicht jemand für einen Auftritt buchen.«
»Was ist es denn diesmal?«, will Nina wissen und klingt immer noch merklich aggressiv. »Eine Party in einer Schrebergartenkolonie?«
»Verbindlich gebucht oder nur angefragt?«, erkundige ich mich.
»Bisher nur eine Anfrage, aber ich hab gesagt, dass wir eine Homepage haben, auf der man sich die Musik anhören kann.«
»Ach so«, meint Torsten, und wir alle wissen, was das heißt: gar nichts. Denn es kommt, wie gesagt, nicht besonders häufig vor, dass sich danach jemand noch einmal bei uns meldet. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben, hin und wieder ist es eben doch passiert.
»Wie dem auch sei«, meint Nina und schaltet ihr Keyboard ab. »Ich bin echt müde und muss jetzt nach Hause. Wir sehen uns nächsten Dienstag. Dann vielleicht pünktlich.« Ihr Blick geht eindeutig in meine Richtung. Dann zieht sie ihre Jacke an, klemmt sich ihre Tasche mit den Noten unter den Arm und guckt Torsten abwartend an. Der hat sich mittlerweile auch seine Jacke angezogen und folgt ihr zur Tür.
»Bis Dienstag!«, rufen sie noch, dann sind sie auch schon draußen im Flur. Zurück bleiben Malte und ich und sehen uns einigermaßen ratlos an.
»Die sind ja mal wieder beide bestens gelaunt«, stelle ich fest, sobald ich sie außer Hörweite glaube.
»Die kriegen sich schon wieder ein«, meint Malte und nimmt sich aus dem Kasten Bier, der neben dem Verstärker steht, eine Flasche. »Auch eins?« Ich nicke, Malte gibt mir ein Bier, und wir stoßen an. »Kennst ja Nina«, sagt er dann.
Ja, die kenne ich. Schon viele Jahre. Und vor etwa einem halben Jahr, da haben wir … also, es war wirklich nur eine kleine Knutscherei nach einem Auftritt, so aus einer Laune heraus, mal wieder jemanden in den Arm zu nehmen. Ganz nüchtern waren wir da beide nicht. Und seitdem …
Ich wische den Gedanken beiseite, glaube nicht, dass Ninas und Torstens Rumgezicke etwas damit zu tun hat. Außer Nina und mir weiß keiner davon, das war nur für den Bruchteil eines Moments, als wir beide draußen vor der Party standen, um etwas frische Luft zu schnappen.
»Was ist denn das für ein Auftritt?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
»Eine Hochzeit«, erklärt Malte. »Irgendwann im Frühling, die Frau meinte, sie hätte heute in deinem Laden unseren Aushang entdeckt.« Sofort bin ich hellhörig.
»Klingt ja spannend.«
»Auch nicht
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