Mein zärtlicher Ritter: Roman (German Edition)
weit vom Eingang entfernt.«
William tastete die Mauer ab. Hinter einem breiten Busch fand er die Öffnung tief in der Wand.
»Folgt mir«, rief er. »Kein Wort im Tunnel und haltet eure Schwerter bereit. Stephen, du gehst als Letzter.«
Im Tunnel war es nasskalt und stockfinster. Der Eingang war kaum höher als zwei Fuß, doch nachdem William hindurchgekrochen war, war der Tunnel groß genug, dass er aufrecht gehen konnte. Tiere huschten vor ihm davon, während er sich seinen Weg ertastete. Nach einigen Metern erreichte er das Ende des Tunnels und streckte die Hand nach oben aus. Holz, kein Stein. Die Klappe. Er nahm seinen Dolch zwischen die Zähne und stieß sie auf.
Ein schmaler Lichtstreifen schien unter der Tür durch in den Raum. Er konnte Kessel erkennen und Kornsäcke. Er kletterte heraus und half dem nächsten Mann, dann schlich er zur Tür und lauschte. Als ein halbes Dutzend seiner Männer sich in dem kleinen Raum drängte, öffnete er vorsichtig die Tür. Die Fackel in der Wandhalterung auf dem Gang brannte, doch niemand war zu sehen.
Rasch bewegte er sich mit gezogenem Schwert den Korridor hinunter. Als er an der Küche vorbeikam, hörte er gedämpfte Geräusche. Aus irgendeinem Grund wusste er, dass Edmund Catherine nicht mit den Dienstboten in der Küche einsperren würde.
»Öffnet die Tür«, raunte er dem Mann hinter ihm zu. »Aber sagt ihnen, sie sollen sich ruhig verhalten und bleiben, wo sie sind, bis wir wieder zu ihnen kommen.«
Er hörte Männerstimmen oben im Saal, als er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinaufhastete. Er erreichte den Saal rennend, das Schwert in der einen und den Dolch in der anderen Hand. Die betrunkenen Idioten stolperten übereinander, als sie versuchten, an ihre Waffen zu kommen. Seine Männer würden kurzen Prozess mit ihnen machen. Er hatte keine Zeit, innezuhalten und ihnen dabei zu helfen.
Catherine war nicht hier. Und Edmund auch nicht.
Er rannte zur Treppe. Einem Mann, der versuchte ihn aufzuhalten, stieß er sein Schwert in die Brust, einen anderen warf er um, ohne den Schritt zu verlangsamen.
Einst, als sie noch Kinder gewesen waren, hatte Harry ihr gezeigt, wo man eine Klinge in einen Menschen stoßen musste, um sein Herz zu treffen. Sie zögerte, versuchte sich zu erinnern. Vielleicht würde es reichen, ihn zu verletzen.
Plötzlich riss Edmund fieberhaft an ihrem Hemd. Sie konnte nicht länger warten. Mit ihrer ganzen Kraft schwang sie den Arm und stieß ihm die scharfe Klinge tief in die Schulter. Irgendwie gelang es ihr, sie wieder herauszuziehen, bevor er die Arme ausbreitete und sich vor Schmerz brüllend aufrichtete.
Als sie den mörderischen Zorn sah, der sein Antlitz verzerrte, wusste sie, dass sie einen großen Fehler begangen hatte. Sie hätte ihn töten sollen.
Er richtete sich auf die Knie auf und griff mit der Hand nach hinten, um die Stichwunde in seiner Schulter abzutasten. Als er die Hand wieder vorzog, war sie blutbedeckt. Er starrte erst seine blutige Hand und dann sie mit hervortretenden Augen an. Dann holte er aus und schlug ihr so fest ins Gesicht, dass ihr schwarz vor Augen wurde.
Bevor sie wieder klar sehen konnte, hatte er bereits ihr Hemd ergriffen und aufgerissen. Es kostete ihn große Mühe, und er beugte sich vor, die Arme hoch über der Brust verschränkt. Sie würde nie erfahren, ob er einfach übersehen hatte, dass sie noch immer den Dolch in der Hand hielt, oder ob er glaubte, er habe sie mit seinem Schlag außer Gefecht gesetzt.
Dieses Mal zögerte sie nicht. Sie ergriff das Heft mit beiden Händen und stieß den Dolch direkt unter seinem Brustbein tief in den Oberkörper. Die Kammer vibrierte von seinem Schrei.
Einen langen und schrecklichen Moment lang hing er über ihr; Unglaube und Überraschung spiegelten sich in seinem Gesicht. Blut sickerte in einem dünnen Strahl aus seinem Mund. Von dort, wo der Dolch tief in seinem Brustkorb steckte, ergoss es sich schwallartig über ihre Arme.
Er stürzte vornüber auf sie, mit dem Oberkörper auf ihr Gesicht. Das Heft ihres Dolches drückte ihr schmerzhaft in die Schulter, und sie bekam keine Luft. Panisch drückte sie mit der Kraft einer Verzweifelten gegen seinen Körper, um sein Gewicht von ihrem Bauch zu bekommen.
Vor Anstrengung schnaufend rollte sie ihn von sich; doch jetzt lag er neben ihr und schaute ihr direkt ins Gesicht. Seine kalten toten Augen starrten sie an. Schreiend und weinend schob sie ihn mit Armen und Beinen von sich fort, bis sein
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