Meine allererste Scheidung
war gerötet, ihre Hände zu Fäusten geballt. »Nein! Sie muss Sex haben«, fuhr Myra energisch fort. »Wie kannst du mir das antun? Wenn ich keinen Sex kriege, musst du ihn für mich haben! Du musst – du hast den Blick! Sarah kann sich nicht irren!«
Caitlin kam aus der Umkleidekabine und legte Myra beruhigend die Hand auf die Schulter. »Hört mal zu. Es fühlt sich einfach … sehr seltsam an. Ich war lange Zeit mit niemandem zusammen. Und ich habe wirklich nicht viele, ihr wisst schon, sexuelle Begegnungen gehabt«, beendete sie ihren Satz vorsichtig, während sie sich alle in der Boutique einen Platz suchten.
»Nummern!«, fuhr Myra auf. »Es sind Nummern!«
»Wie gesagt, ich habe nicht allzu viel Erfahrung – oder allzu große Erfahrung – jedenfalls nicht vor Max«, fügte Caitlin hinzu. Sie musterte Myra eingehend und tätschelte ihr die Schulter, um sie zu trösten.
»Sprich nicht einmal seinen Namen aus. Es lässt mich schaudern«, sagte Sarah.
»Warum? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn du nicht viel Erfahrung hattest, warum holst du das jetzt nicht nach?«, fragte Myra, die es offensichtlich absolut nicht begriff.
»Es ist einfach, nun, darum «, beendete Caitlin ihren Satz lahm. (Myra schnaubte.) »Seht mal, es ist ganz einfach. Er ist neunundzwanzig Jahre alt, und uns trennen Welten. Und er ist ein professioneller Snowboarder aus Kanada, der offensichtlich nur eins will, nämlich …«
»Sex«, sprachen die anderen wie aus einem Mund weiter.
»Und wo ist das Problem?«, fragte Myra, wischte sich über die Augen und ging zur Umkleidekabine, wo sie ihre Kostümjacke abschüttelte und sich aus ihrem engen Rock und den Strumpfhosen schälte. »Er ist heiß. Snowboarder. Hmmmm. Gibst du mir seine Nummer?«
»Ich glaube nicht, dass das so funktioniert«, antwortete Caitlin, die sich einmal mehr in die Enge getrieben fühlte.
»Warum nicht?«, hakte Myra nach, während sie sich ein hautenges schwarzrotes Kleid über die Hüften zog.
»Weil das kein Bäumchen-wechsle-dich-Spiel ist!«, erklärte Caitlin besitzergreifend.
Myra ignorierte sie. »Ich zwänge mich in dieses Stripperinnenteil und bekomme seine Nummer, und wir werden heißen, unverbindlichen Sex haben und – oh nein! «, unterbrach sie sich selbst in herzzerreißendem Tonfall und betrachtete mit völligem Entsetzen ihr Spiegelbild. »Niemals! Ich sehe aus wie eine alternde Stripteasetänzerin. Das geht nicht. Kein Wunder, dass nichts läuft!«
»Und weißt du was?«, sagte Caitlin leise und ohne auf Myra zu achten. (Sie würde sich in einer Minute beruhigen, das wusste sie.) »Um ehrlich zu sein, dachte ich irgendwie, dass der Mann vom Wochenende sich melden würde. Ich habe etwas … für ihn übrig.« Sie warf Sarah einen Blick zu.
Sarah nickte. »Das dachte ich mir. Ich habe ihn nicht gesehen, aber er klingt … Cassandra hat von ihm gesprochen, wie … hm, ich dachte, er hätte dich angerufen.«
Nadia blickte bekümmert drein. Sie verstand Schwärmereien besser als die meisten. Die Arbeit mit unglaublich gut aussehenden, schwulen Männern hatte eine Menge Nachteile.
»Tatsächlich«, fuhr Sarah nachdenklich fort, »hätte ich gewettet, dass du seinetwegen diesen Blick hast. Es hat ungefähr zu der Zeit angefangen«, fügte sie bei sich hinzu.
Caitlin sagte nichts.
»Vielleicht schreibt er dir einen Brief«, meinte Nadia. »Du weißt schon, vielleicht ist er altmodisch.«
»Wer schreibt noch Briefe?«, höhnte Myra und setzte sich in ihrer Unterwäsche neben Nadia, die darüber grübelte, in welches Kleid sie sie als Nächstes stecken wollte, nachdem das rote eine solche Selbstachtungskatastrophe gewesen war. »Serienmörder und Kidnapper und … und alte Leute, die schreiben Briefe«, meinte sie schmollend.
»Heutzutage nicht mehr, da schicken sie wahrscheinlich SMS. Wie dem auch sei, Caitlin, du musst dich ablenken, wie zum Beispiel damit«, erklärte Nadia.
Caitlin wich vor dem kleinen, rubinroten Stück Stoff mit seinem Saum aus zarter, weißer Spitze zurück. Sie zuckte kaum merklich zusammen.
»Das ist kein Kleid, oder?«, erkundigte Sarah sich zweifelnd.
»Natürlich nicht!«, rief Nadia. »Ihr Dummerchen!«
»Oooh, das war wohl der Versuch einer Beleidigung«, fügte Myra kindisch hinzu, immer noch untröstlich nach ihrer Kleiderkatastrophe.
»Es ist dazu passende Unterwäsche!«, erklärte Nadia geduldig und unbeeindruckt von Myras Gezicke – das war sie aus der Modewelt gewohnt. »Sieh mal. Hier ist
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