Meine beste Feindin
oder weniger allein waren.
»Als ob du das nicht wüsstest«, grummelte er. »Helen hat sich übrigens geweigert, heute Abend mitzukommen. Sie ist sauer, weil ich sie gezwungen habe, dein Vertrauen zu brechen, aber ich bin froh, dass ich sie zum Reden gebracht habe.«
»Ich habe noch immer keine Ahnung, wovon du überhaupt sprichst«, versicherte ich. Obgleich ich natürlich nicht völlig im Dunkeln tappte. Ich hatte so eine Ahnung.
»Lass Helen in Ruhe!«, schärfte er mir ein und kam sogar noch näher, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. »Ich freue mich darüber, dass wir Freunde bleiben, aber wenn du dich vor Helen lang und breit darüber auslässt, wie eng doch unsere Freundschaft ist, um sie eifersüchtig zu machen, dann werde ich ziemlich ungemütlich. Haben wir uns da verstanden?«
Das alles ergab überhaupt keinen Sinn, aber mir war natürlich klar, worauf er hinauswollte. Während der Thanksgiving-Woche hatte Helen ihn dazu gebracht, ihr die Story nach und nach aus der Nase zu ziehen. Sie war deshalb sogar »wütend« auf ihn geworden, damit er sich mir gegenüber nur noch selbstgerechter und aufgebrachter zeigte.
»Lass mich raten«, sagte ich trocken. Denn ich konnte die Szene praktisch vor mir sehen. »Helen hat sich erbarmt, mir ein Friedensangebot zu machen. Ich habe ein wenig zu sehr von unserer engen Freundschaft geschwärmt, und sie hat sich zwar nicht direkt bedroht gefühlt, aber …?«
Nate schaute mich an, als empfinde er Mitleid für mich.
»Ja«, bestätigte er, »sie hat mir alles erzählt.«
Es war genial, wirklich. Man konnte nicht anders, als die schlichte Schönheit des Plans zu bewundern. Helen war so gut, dass es mir Angst machte.
Da tat es mir beinahe leid, dass ich sie umbringen musste. Vorzugsweise mit meinen bloßen Händen.
Kapitel 11
Ich ließ zu, dass meine schier grenzenlose, auf Helen fokussierte Wut die Kontrolle übernahm, und fand mich plötzlich draußen vor dem herrschaftlichen Gebäude wieder. Mein Atem wurde in der kalten Luft zu weißen Wölkchen und ich vergrub mich ein wenig tiefer in meinem Mantel, während ich mir verzweifelt ein Auto herbeiwünschte.
Ein paar Minuten später - als ich mein brennendes Verlangen, in die Stadt zu rasen und Helen in ihrem Bau aufzuspüren, nochmal überdachte, weil meine Füße sich langsam in Eisklumpen verwandelten -, da erschien Henrys Jeep in der Einfahrt.
Ich würde lernen müssen, meine Wünsche etwas exakter zu formulieren.
Bitte eine Million Dollar in meiner Manteltasche , dachte ich angestrengt, aber nichts geschah. In den Taschen befanden sich nur meine Hände, in Fäustlinge gehüllt. Es war ziemlich enttäuschend, und außerdem musste ich mich jetzt auch noch mit Henry herumärgern.
»Was sehen meine entzündeten Augen?«, fragte der theatralisch, als er die Treppe zur Haustür heraufkam. Er blieb genau eine Stufe unter mir stehen und grinste schief. Jetzt waren wir auf Augenhöhe. »Augusta Curtis, Bostons Weihnachtsengel höchstpersönlich.«
Ich hätte ihm gerne eine fiese Bemerkung reingewürgt, aber ich hielt mich zurück. Nicht etwa, weil ich plötzlich ach so reif geworden wäre, sondern weil mir just eine Idee gekommen war. Ich sah ihn an und überlegte fieberhaft. Eines war klar, das war ein Fehler.
»Was?«, rief er, sah aber eher belustigt als beunruhigt aus. »Ja, ich habe ›Augusta‹ gesagt. Ich weiß gar nicht, was du gegen diesen schönen alten Namen hast. Gut, er erweckt vielleicht einige falsche Vorstellungen, aber …«
»Besteht eventuell die Möglichkeit, dass du mir einen großen Gefallen tun könntest?«, fragte ich.
Henry lächelte und verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere.
»Gus«, sagte er, als würde er sich meinen Namen auf der Zunge zergehen lassen. »Es besteht immer eine Möglichkeit.«
»Wie wahrscheinlich ist diese Möglichkeit?«
»Das hängt natürlich von so einigen Faktoren ab.« Die Sache machte ihm einen Riesenspaß. »Zum Beispiel, wie wichtig dieser Gefallen für dich ist, und davon, was dabei für mich rausspringt. Und - natürlich - auch die Frage, ob es für mich nicht vielleicht viel lustiger wäre, dir diesen Gefallen nicht zu tun. Das ist ein kompliziertes Analyseverfahren, und die Entscheidung wird von Fall zu Fall getroffen.«
Ich runzelte die Stirn und dachte darüber nach.
Nachdem Nate mich stehen gelassen hatte, war ich rasend vor Wut. Amy Lee hatte das allerdings gar nicht beeindruckt, und sie war nicht bereit gewesen, die
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