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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlada Urosevic
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auf einen dicken Karton geklebt war. »Hier«, sagte er. Alle beugten sich darüber. Sie entdeckten Bekannte und nannten ihre Namen sowie die Bezeichnungen von Straßen, von denen ich bisher noch niegehört hatte. Ich trat näher, und während alle damit beschäftigt waren, die blassen Gesichter zuzuordnen, betrachtete ich die Fotografie. Darauf waren eine Straße voller Menschen, eine in der Mitte errichtete Absperrung, ein Feuerwehrauto und Feuerwehrmänner mit funkelnden Lichtflecken auf den Helmen zu sehen. Am Nachthimmel spielte der Widerschein des Feuers. Und ganz links auf der Fotografie stand das Haus mit dem spitzen Dach, in dessen dunkler Masse sich die helle Öffnung des uns bekannten Gewürzladens auftat.
    »Das ist ein historisches Dokument«, erläuterte Opa Simon. »Diesen Teil der Stadt gibt es gar nicht mehr. Nichts von alldem.«
    In diesem Augenblick kam eine Tante mit missmutigem Gesichtsausdruck aus der Küche zurück. »Was haben sie euch denn da angedreht?«, sagte sie. »Diese Muskatnüsse sind ja so hart, als hätten sie dreißig Jahre lang irgendwo herumgelegen. Seht mal«, sie zeigte sie überall herum. »Sie riechen nach überhaupt nichts mehr.«
    »Dann schickt die beiden noch mal los, sie sollen sie zurückgeben«, sagte Opa Simon. »Und beim nächsten Mal sollen sie aufpassen, was sie einkaufen – und bei wem.«
    Als hätten sie nur auf dieses Zeichen des Familienoberhauptes gewartet, stürzten sich alle mit Anweisungen, Drohungen, Warnungen und unmissverständlichen Befehlen auf uns. Es wurde von uns verlangt, sofort aufzubrechen und diese Muskatnüsse, diese schlechte Ware, dieses minderwertige Gewürz, das zu lange irgendwo herumgelegen hatte, um noch verwendbar zu sein, wieder zurückzubringen.
    Meine Cousine Emilia und ich standen verlegen an der Tür. Nur wir beide wussten, dass das unmöglich war.

N EBEL
    Im Spätherbst kam plötzlich der Nebel und begrub die Stadt unter seiner Last aus zerfledderten, unförmigen Ballen und Bündeln. Es half nichts, dass die Straßenlaternen schon in den frühen Nachmittagsstunden angezündet wurden: Der Nebel wurde dichter, sammelte sich in immer größeren Mengen, breitete sich aus. Und schon bald war von den Straßenlaternen nur noch ein kleiner blasser Kreis in der Höhe übrig geblieben, wie ein durchsichtiges Ei ohne Schale, in dem sich beinah der bläuliche Embryo erkennen ließ, der, vom Nebel erstickt, niemals zu richtigem Licht heranreifen würde. Der torkelnde, trunkene Sturzbach des Nebels ergoss sich in Straßen, Eingangstore und Höfe, schnüffelte an Türen und Fenstern, kroch an den Wänden entlang. Die Häuser verschwanden unter den schweren Nebelschichten, und die Menschen darin fühlten sich bedroht, alleingelassen, schutzlos.
    In diesen Tagen, wenn draußen das Dumping schlechter atmosphärischer Ware andauerte, dieser Ausverkauf von Wetterramsch und Wetterausschuss, wenn ganze Nebelsäcke in der Farbe von Pferdeurin und Ammoniak, von Schwefelstangen zur Fassreinigung und von verdorbenem Eingemachten durch die Straßen rollten wie schmutzige Wollknäuel,blieben wir alle zu Hause. Besuch kam selten: Wenn jemand geklopft hatte und wir die Tür öffneten, tauchte aus dem Nebel irgendein Verwandter mit verstörtem Gesichtsausdruck auf, wie jemand, der durch schwere Fährnisse gegangen ist. War er wieder fort, lauschten wir noch lange auf die gedämpften Geräusche von draußen. Man konnte das Heranwogen neuer Nebelschwaden förmlich hören, hin und wieder durchbrochen von einem dumpfen Poltern: Das waren vereinzelte Passanten, die mit dem Kopf und den Knien gegen die Hausecke gestoßen waren und nun benommen zurücktaumelten.
    An solchen Nachmittagen stieg Opa Simon in das mit allerlei Krimskrams und Gerümpel vollgestopfte Dachkämmerchen, öffnete die Luke und beobachtete den Nebel. Er behauptete, dass man von dort aus dessen Bewegungen besser verfolgen könne, die Anzeichen für seine Verdichtung oder sein Schwinden, seine Ausbreitung und die häufigen und abrupten Höhenwechsel. Angeblich konnte Opa Simon von dort oben den Ursprung des Nebels und die Wege, auf denen er gekommen war, erspüren: Ausgiebig bediente er sich seines Geruchssinns und sprach von den Sümpfen an der Vardar-Mündung, von verdorbenem Fisch in den Thessaloniker Fischgeschäften und – ganz offensichtlich eine blanke Übertreibung – von Altstadtvierteln in irgendwelchen Inselstädten und den modrigen Basarvierteln in arabischen Ländern. Mit

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