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Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition)

Titel: Meine Cousine Emilia: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlada Urosevic
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schlang sich zu einem Knoten und fiel in sich zusammen. Verschwand sie kurz hinter den Hausdächern, äußerte die Menge lautstark ihre Missbilligung. Dann schoss die Flamme wieder in die Höhe wie ein Clown nach einer erfolgreichen Nummer, breitete ihren bunten Umhang aus leuchtenden Lumpen aus und wedelte damit, während sie sich verbeugte.
    Im Geschiebe und Gedränge stellten die Menschen die unterschiedlichsten Vermutungen darüber an, was da in Flammen stand. Niemand wusste genau, in welchem Teil der Stadt es brannte, und jeder bemühte sich, den genauen Ort zu erraten. Doch obwohl alle rasch liefen und schon lange unterwegs waren, schien der Brandort immer noch weit entfernt zu sein:Vom Feuer sah man weiterhin nur einige Flammenzungen, die in der Ferne an ihrer unsichtbaren Beute leckten.
    Unterwegs tauchten unterschiedliche Hindernisse auf. Immer wieder führte eine Straße in eine andere Richtung, fort vom Feuer, deshalb mussten wir kleinere Gassen nehmen und länger suchen, bis wir wieder in die richtige Richtung gingen.
    Plötzlich zeigte meine Cousine Emilia nach oben. Menschen waren auf die schwarzen Hausdächer geklettert. Schwarze, schmale Silhouetten liefen zwischen den Schornsteinen umher, hielten mit ausgebreiteten Armen das Gleichgewicht über dem Abgrund, balancierten auf den jäh abfallenden Dachkanten. Und über alles ergoss sich das trügerische, künstliche Licht des Mondes wie über die leere Bühne eines Provinztheaters. Um uns herum spielte sich ein Theaterstück mit Massenszenen ab, alle waren Schauspieler und bewegten sich gemäß einem zuvor festgelegten Ablauf, und nur wir zwei hatten uns zufällig hierher verirrt, zwei Eindringlinge, die dem bunten Haufen der Artisten gefolgt waren und sich plötzlich auf der Bühne wiederfanden.
    In dieser Nacht verdoppelte und verdreifachte sich die gewaltige und unerforschliche Frühlingsnacht, ging auf wie ein Hefeteig, schwoll an und quoll über. Wir hatten keine Vorstellung davon, wie spät es war: Gewaltig und unendlich lang erstreckte sich die Nacht vor uns wie eine mondhelle Straße. Die Menschen, die sich dort im Mondlicht bewegten, waren müde geworden. Viele hatten sich schon auf den Gehsteigrand gesetzt und eine bescheidene Wegzehrung und Bierflaschen aus den Taschen gezogen. Niemand hatte es mehr eilig. Erschöpft sahen viele ein, dass das Feuer zu weit entfernt war, und kehrten um. Die Straße leerte sich langsam. Am Himmelerschienen neue Sternbilder. Der große, aufgeblähte Ballon der Nacht drehte sich müde und schwerfällig.
    Plötzlich war die Straße, die wir entlanggingen, unterbrochen: Mitten hindurch verlief ein breiter Graben, um den herum bunte Warnschilder und kleine orangene Laternen standen. Die Leute kehrten um; ein paar traten gähnend in die Höfe der Nachbarhäuser, als wären sie zu Hause angekommen. Schon bald war außer uns fast niemand mehr zu sehen. Die Menschen verschwanden in den Häusern, man sah sie noch kurz in den Rahmen der erleuchteten Fenster, wie sie träge ihre Frauen küssten, dann war auch das vorbei. Auf der Straße stand nur noch das große Feuerwehrauto, das von der Grube gestoppt worden war, und darum herum, in wundervollen, polierten Helmen, unbeweglich und ernst, die Feuerwehrmänner.
    Wir befanden uns in einem völlig unbekannten Teil der Stadt. Die Nacht veränderte das Antlitz der Häuser, der Mond fügte den Fassaden seine eigenen Verzierungen hinzu: Das war eine andere, uns bisher nicht bekannte Stadt, die sich in eine Sackgasse der Zeit verirrt hatte. Wir machten uns auf den Heimweg, doch auf einmal drückte meine Cousine Emilia fest meine Hand. Ich sah in die Richtung, in die sie ohne ein Wort zu sagen mit den Augen deutete. Oben am Himmel stand der Große Wagen. Und darunter, im Schatten der Bäume, befand sich im Erdgeschoss eines barocken Hauses mit Dreiecksgiebel ein Gewürzladen, noch immer hell erleuchtet. Die Tür stand offen. Es war unglaublich, dass zu dieser späten Stunde noch ein Laden geöffnet hatte. Das ließ sich nur mit der in der Stadt herrschenden Aufregung oder mit einer seltsamen Laune des Besitzers erklären. Wir liefen hinüber undich trat ein, meine Cousine Emilia an der Hand hinter mir herziehend.
    Drinnen roch es nach fernen, exotischen Inseln, nach San Salvador und nach Honduras, nach tropischen Wäldern und nach südamerikanischen Pampas, nach fantastischen Abenteuern und nach alten, illustrierten Romanen. Im Laden hingen dichte und schwere Düfte. Alles war von

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