Meine Freundin, der Guru und ich
Schwerelosigkeits-Kammer reisten, wo man die Hälfte der Zeit in der Luft schwebt und sich die andere Hälfte vom Sitz den Hintern versohlen läßt.
Es war das erste Mal, daß ich für längere Zeit mit einem Einheimischen in Berührung kam, und es kam mir so vor, als ob das ganze Gerede darüber, daß die Inder sich in ihr Schicksal fügen, wirklich stimmt. Der Typ neben mir merkte offenbar nicht einmal, wie unbequem der Bus war. Ab und zu, wenn wir gerade wieder einmal bis an die Decke geschwebt waren und anschließend einen dreifachen Hau abbekommen hatten, der heftig genug war, um uns alle fünf auf den Boden zu befördern, schenkte er mir ein amüsiertes Ist-doch-lustig-oder?-Grinsen, aber ansonsten starrte er einfach bloß aus dem Fenster, scheinbar zufrieden damit, gleichzeitig gelähmt und kastriert zu werden.
Der große Vorteil, wenn man hinten saß, war, daß man sich weiter weg von den Hindi-Musicals befand, die vorn im Bus gezeigt wurden. Im Laufe unserer Reise wurde uns insgesamt viermal ein und derselbe Film vorgespielt. Und obwohl ich den Bildschirm nur sehen konnte, wenn ich mich gerade in der Luft befand, hatte ich gegen Ende der Fahrt den Film zum größten Teil – sozusagen Stück für Stück – gesehen und konnte der Handlung einigermaßen folgen.
Soweit ich es beurteilen konnte, ging es um einen Typen, der ein sexy Mädchen heiraten will, aber seine Eltern wollen, daß er ein häßliches Mädchen heiratet. Als er kurz davor ist, das häßliche Mädchen zu heiraten, entdeckt er, daß das sexy Mädchen von einem häßlichen Mann gekidnappt worden ist, der schwarze Lederklamotten trägt und finster in die Kamera schaut. Eilig schwingt sich der Held in den Sattel, um das sexy Mädchen zu suchen, und prügelt sich mitten in der Wüste mit dem häßlichen Mann. Er ist gerade im Begriff, das sexy Mädchen zu retten, als herauskommt, daß das häßliche Mädchen mit dem häßlichen Mann unter einer Decke steckt und daß sie irgendwie den Vater im Sand an einen Stuhl gefesselt hat und gerade dabei ist, ihn mit Benzin zu übergießen. Das häßliche Mädchen zieht eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche, worauf alle erst mal Pause machen, um ein Lied zu singen. Kurz darauf springen fünfzig Kerle in schwarzen Klamotten hinter einem Busch hervor, den es vorher gar nicht gab, und fangen an, auf den Helden zu schießen, der sich hinter einer schwarzen Holzkiste versteckt, bis er schließlich mit einem weißen Taschentuch in der Hand aus seinem Versteck kommt. Doch als der häßliche Mann in Schwarz anfängt, sich darüber singenderweise hämisch zu freuen, stellt der Held ihm ein Bein, klaut ihm das Gewehr und erschießt sämtliche fünfzig Männer, die hinter dem auf wundersame Weise aufgetauchten Busch hervorgesprungen waren.
In der Zwischenzeit hat sich der Vater, auf dem das Benzin schon wieder getrocknet zu sein scheint, von seinem Stuhl befreit und befindet sich in einem komischen Kampf mit einem dicken Mann, dessen Anwesenheit ansonsten keinen erkennbaren Zweck erfüllt. Das sexy Mädchen weist den Helden daraufhin, daß sich das häßliche Mädchen gerade aufmacht, in die Wüste zu fliehen, und im selben Augenblick besiegt auch der Vater den Dicken, indem er ihm einen Eimer über den Schädel stülpt. Danach singen Held, Vater und sexy Mädchen gemeinsam ein Lied, in dessen Verlauf der Vater anscheinend seinen Segen zur Hochzeit gibt. Mittlerweile ist das häßliche Mädchen schon am Horizont angelangt und schüttelt noch einmal drohend ihre Faust, was nur als Racheschwur gemeint sein kann. Ein paar Sekunden später, als sie gerade am Verdursten ist, stößt sie oben auf einer Düne auf eine einsame Hütte. Sie klopft an die Tür und wird von einem Mann willkommen geheißen, der sie (singenderweise) zu verführen versucht. Sie bleibt unbeeindruckt von seinen Annäherungsversuchen, bis sie in einer Ecke des Raums ein Mini-Labor entdeckt, in dem sich, wie es scheint, eine halbfertige Atombombe befindet. Zusammen hecken sie einen Plan aus.
Danach wurde es ein bißchen schwierig, der Handlung zu folgen. Soweit ich es verstanden habe, heirateten sich am Schluß die sexy Leute, die häßlichen Leute wurden in die Luft gejagt, und die dicken Leute bekamen einen Eimer übergestülpt.
Wenn das keine Unterhaltung mit Niveau ist.
Unterwegs hielten wir zahlreiche Male an, und alle stiegen aus, um gläserweise Tee zu trinken, der süßer war als Cola und nur geringfügig weniger milchig als Milch.
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