Meine Freundin Jennie
zumachen. Danach kam Pounce in einem kleinen Hotel unter, das abbrannte, und schließlich in einem Privathaus, das im Krieg einen Volltreffer bekam — als einziges im ganzen Block. Na, und du weißt ja, was die Leute so zusammenreden und wie lächerlich abergläubisch sie sind, besonders, was uns Katzen angeht. Kurz, diese Pechsträhne sprach sich herum, und niemand, buchstäblich niemand, wollte Pounce mehr bei sich aufnehmen, soviele Mäuse er auch fing. Seitdem kümmerte sich kein Mensch mehr um ihn, und er hätte wirklich ein besseres Los verdient, denn ihn trifft doch wahrhaftig keine Schuld an diesen...»
Jennie sprach den Satz nicht zu Ende, sondern lief weiter, aber Pounce Andrews blickte ihr lächelnd nach, als sie nun vor einer jungen grauen Katze stehenblieb.
«O ja!» rief Jennie aus, «beinah wäre ich an diesem süßen kleinen Geschöpf hier vorbeigelaufen. Sie heißt Limpy und hat viel durchgemacht, Peter, denn sie ist eine Waise und weiß nicht einmal, wer ihre Mutter war. Sie hat sie bei einer Überschwemmung verloren, irgendwo auf dem Land, bevor sie noch sehen konnte. Wie sie selber mit dem Leben davongekommen ist, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Und dann ist sie noch mit ihrer Pfote in eine Falle geraten. Aber sie hat es trotzdem irgendwie fertiggebracht, nach London zu kommen, und hat sich hier erstaunlich rasch eingelebt. Das nenne ich wirklich Mut, kann ich nur sagen. Ein so tapferes Kerlchen findet man so leicht nicht wieder...»
Limpy fiel auf die Seite und fing an sich energisch zu waschen. Peter sah, daß die Krallen ihrer linken Hinterpfote zerquetscht worden waren, aber es blieb ihm keine Zeit, über dieses tragische Mißgeschick nachzusinnen, denn Jennie plapperte bereits munter weiter:
«Und diese beiden Hübschen hier sind Schwestern. Sie heißen Putzi und Mutzi und sind vom Kontinent herübergekommen. Aus Wien, sagtet ihr doch, nicht wahr? Ja, die haben auch allerhand hinter sich, Peter. 1938 kamen sie mit ein paar Flüchtlingen hier an, und 1944 hat es ihr Haus hier erwischt. Fliegerbombe! Glücklicherweise hatten Putzi und Mutzi gerade in einem anderen Block einen Besuch gemacht. Als sie dann zurückkamen, war da nichts mehr, nur ein tiefes Loch, und auch von ihren Leuten war nirgends mehr etwas zu sehen. Und niemand dachte daran, die Schwestern zu sich zu nehmen. Das Erstaunliche ist, wie gut sie sich in London eingewöhnt haben, ich meine, wo sie doch Ausländerinnen sind und sich in unseren Gewohnheiten hier nicht auskennen konnten. Ich finde, ihr zwei beiden seid wirklich zu bewundern!»
Putzi und Mutzi, zwei ganz gewöhnliche kurzhaarige Tigerkatzen, die sich zum Verwechseln ähnlich sahen, nur daß die eine ein etwas schmaleres Gesicht hatte als die andere, schnurrten bescheiden, und Putzi sagte: «Ach, das ist gar nicht der Rede wert. Was kann man denn schon tun? Man macht’s halt, so gut wie man kann, nicht wahr?»
Und so lernte Peter der Reihe nach alle anwesenden Katzen kennen, einschließlich der beiden Kater Tiggo und Smiley, die sich erst später zu ihnen gesellten. Tiggo, der ein ganz weißes Gesicht, aber sonst ein schwarzes Fell hatte und sich rühmte, einen echten Perser zum Vater zu haben, war aus einem behaglichen Heim fortgelaufen, weil er lieber herumvagabundierte als das bequeme Leben einer Stubenkatze führte; und Smiley, der immer so vergnügt aussah und dessen grauweiß gesprenkeltes Fell von Natur aus etwas struppig zu sein schien, hatte einem Junggesellen gehört, der vor kurzem eine Frau heiratete, die Katzen nicht ausstehen konnte.
Nachdem Jennie so die Leiden und Schicksale, die persönlichen Vorzüge und besonderen Eigenschaften sämtlicher Bewohner des Obdachlosenasyls aufgezählt hatte, gab es dort keine einzige Katze, die von Jennie nicht restlos entzückt war. Und Peter machte die Erfahrung, daß es mehr als nur eine Möglichkeit gab, sich ein Nachtquartier und einen Schlupfwinkel zu verschaffen, wo man sich vor den Gefahren der Straße in Sicherheit befand; und daß ein gewinnendes Wesen und ein paar faustdicke Schmeicheleien sich als genau so wertvoll erwiesen wie die scharfen Krallen einer schnell zuschlagenden Pfote.
Denn mit allgemeinem Einverständnis wurden Jennie und er nun dazu gedrängt, die schönste Wohnung im Erdgeschoß des ausgebrannten Hauses zu beziehen, ein etwas abgelegenes Quartier auf der Hintertreppe, die zum Keller hinabführte. Die Stufen waren bereits mit dickem schwammigem Moos bewachsen, was ein weiches Lager
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