Meine Freundin Jennie
und sich und ihre Stimme wieder in der Gewalt hatte, erwiderte sie:
«Buff ist kein Kind mehr, Peter, und braucht mich nicht mehr so wie früher. Sie wird bald fünfzehn. Und die Menschen ändern sich auch, Peter, und wenn sie älter werden, dann bedeutet ihnen manches nicht mehr so viel wie in jüngeren Jahren. Buff wird ein bißchen weinen, wenn ich jetzt nicht wiederkomme, aber sie wird diesen Kummer bald verwinden, weil es jetzt andere Dinge gibt, die sie interessieren. Und jedenfalls bleibt ihr doch die Erinnerung, daß ich das eine Mal zu ihr zurückkam und verstanden habe, daß sie mich damals nicht absichtlich im Stich gelassen hat. Und was Buff in diesen drei Jahren so unglücklich gemacht hat», folgerte Jennie mit dieser merkwürdigen und zuweilen erschreckenden Klugheit, die sie zu haben schien, «war der Gedanke, daß ich in dem Glauben lebte, sie habe mich einfach verlassen. Was ich ja auch tat, weil ich eine Närrin war, bis du mir in den Weg liefst und mich lehrtest, daß es auch gute Menschen gibt, die treu sein können...»
Jennie reckte sich, machte einen Buckel und sagte nur noch: «Na, jedenfalls ist das Kapitel nun abgeschlossen, und wir beide sind wieder beisammen. Aber du hast mir wirklich einen Schrecken eingejagt, Peter! Ich hatte solche Angst, du könntest meinetwegen irgendeine Dummheit machen und dein Versprechen nicht halten, mich hier zu treffen. Das darfst du nie tun, Peter, nie, versprich mir das!»
Peter hielt es für das Beste, nichts davon zu sagen, daß er sich um 1 Jennies willen versucht gefühlt hatte, aus ihrem Leben zu verschwinden. So stieß er nur einen tiefen Seufzer aus. Er fühlte sich jetzt sehr glücklich! Seite an Seite rollten Jennie und er sich zusammen und schliefen rasch ein. Als die Mondsichel über die Dachöffnung hinwegglitt, wurde es in der Ruine ganz dunkel, denn über die Mauerreste und die schlafenden Katzen senkten sich nun die Schauen der Nacht.
Lulu - oder das Fischgesicht
Am nächsten Tag war herrliches Wetter. Als Peter am Morgen aufwachte, sah er, daß Jennie wie eine Kugel neben ihm lag, die eine Pfote über ihren Augen, um sich vor dem Licht zu schützen. Sie lag unbeweglich da und gab nur ganz leise Schnarchtöne von sich. Obwohl sie nun einen klarblauen Himmel als Dach über sich hatten und die Sonne bald in ihr Asyl hineinstrahlen würde, schlief Jennie noch fest. Von den anderen Katzen waren die meisten bereits aufgestanden und im Begriff, ihrem Tagewerk nachzugehen. Einige hatten sich sogar schon auf die Straße hinausbegeben, und die anderen saßen noch herum und machten ausgiebig Toilette oder wuschen sich nur höchst oberflächlich, je nachdem, ob sie ihren persönlichen Stolz dareinsetzten, sich gründlich zu säubern, oder es für überflüssig hielten, weil sie schon zu tief gesunken waren.
Peter beschloß auszugehen und sich umzuschauen, ob er nicht irgendwo etwas auftreiben konnte. Es wäre doch nett, dachte er, wenn er Jennie, sobald sie aufwachte, eine Maus zum Frühstück bringen würde, falls er eine erwischte, oder einen Knochen, den er vielleicht aus den gestrigen Abfällen der wohlhabenderen Häuser am Platz zu ergattern vermochte, oder gar ein Stück Melonenschale, für die Jennie eine besonders große Schwäche hatte.
So leise wie möglich, um sie ja nicht aufzuwecken, stahl er sich also von ihrer Seite fort, wünschte Putzi und Mutzi, die sich in der Nähe der Tür zurechtmachten, freundlich einen guten Morgen, schlüpfte unter der losen Planke ins Freie hinaus und betrat den Cavendish Square, gerade als es vom Turm der Allerseelenkirche neun schlug.
Gleichzeitig mit dem Glockenschlag vernahm Peter dicht neben sich einen kurzen Aufschrei, und dann hörte er die merkwürdigste Stimme, die je an sein Ohr gedrungen war, ausrufen: «Oh, ich muß schon sagen! Du hast mir aber eben einen Schrecken eingejagt. Ich war wirklich nicht darauf gefaßt, hier jemandem zu begegnen. Liebe Zeit, bist du aber groß und weiß und hübsch! Huuuuuuiii! Wo kämen wir denn da hin, wenn wir alle so groß wären!»
Peter war selber erschrocken, weil diese Stimme so tief und heiser und aufreizend klang, und als er sich umdrehte, um zu sehen, wer ihn da eben angeredet hatte, erblickte er das erstaunlichste und schönste Geschöpf, das er sich nur denken konnte, denn weder als Junge noch als Kater hatte er je ein so eigenartiges und bezauberndes Wesen zu Gesicht bekommen.
Es war eine kleine Katze, viel kleiner als Jennie, aber mit
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