Meine Freundin Jennie
feststellte, nicht allzu sauber, aber er fühlte sich durch Jennies Worte, mit denen sie ihn vorstellte, offensichtlich so geschmeichelt, daß er geruhte, sich von seiner liebenswürdigsten Seite zu zeigen und Jennies Freund mit einem wahren Wortschwall zu begrüßen, was Peter Gelegenheit gab, sich in dieser Herberge, die er da aufgesucht hatte, etwas näher umzuschauen.
Das Haus war durch die Brandbombe, von der es im Krieg getroffen worden war, völlig ausgebrannt, und es war wenig mehr davon übriggeblieben als die vier Außenwände und ein paar von den längeren Querbalken. Außerdem hatte das Feuer nicht nur der Steintreppe, die zum ersten Stock hinauf führte, sondern auch dem Treppenabsatz nichts anhaben können, der noch immer von der einen Außenwand gehalten wurde, und mehrere Katzen hatten es sich dort bequem gemacht. Andere wieder hatten sich auf den Stufen niedergelassen, so daß sie von diesem günstigen Platz aus alles beobachten konnten, was unter ihnen vor sich ging.
Aber die besten Plätze befanden sich doch in den Ruinen des Fundaments, denn von den Wänden, die das Kellergeschoß unterteilten, waren auch ein paar unversehrt geblieben und jetzt ganz von Unkraut und den roten Feuerblümchen überwachsen. In einigen Mauerecken war sogar die Decke der Kellerräume noch erhalten, was wirklich ein Glück war, da das Haus ja kein Dach mehr hatte, und wenn es regnete, boten diese Schlupfwinkel doch etwas Schutz vor der Nässe. Da sie sämtlich von Querwänden oder Resten der noch älteren Grundmauern durchschnitten wurden, wirkten sie fast wie kleine Einzelwohnungen, deren größter Vorzug es war, daß es in jeder ein Stück Mauer gab, an die man sich lehnen, oder eine kleine Ecke, in der man sich zusammenrollen konnte; und für Katzen, die ein Vagabundenleben führen mußten, war das besonders wichtig.
Hector hörte indessen gerade damit auf, immer wieder zu versichern, wie sehr es ihn freue, einen so weitgereisten Kater wie Peter kennenzulernen (Jennie hatte ihn offenbar in seiner Abwesenheit mächtig herausgestrichen, dachte Peter), und Jennie fuhr nun fort:
«Und dies ist Mickey Riley, der schon als ganz junges Kätzchen au{ die Straße geworfen wurde und nie ein richtiges Heim gekannt hat. Wenn du irgend etwas von London wissen willst oder wo man am ehesten einen guten Happen erwischt, brauchst du nur Mickey zu fragen. Es gibt wahrhaftig nichts, was er nicht weiß...»
Mickey, ein großer Bursche mit gelbgestreiftem dunklem Fell und einem mächtig breiten Kopf, schluckte Jennies Schmeichelei ohne jede Widerrede und machte richtig eine kleine Verbeugung, als er sagte: «Ganz recht, ganz recht. Bin zu jeder Auskunft gern bereit. Wie Jennie Baldrin sagt: es gibt nicht viel, was ich nicht schon gesehen oder getan habe. Obwohl ich zugeben muß, daß ich noch nie auf einem Schiff nach Glasgow gefahren und auch nicht über Bord gefallen bin. Davon müssen Sie mir gelegentlich mal erzählen, junger Mann.»
Wie wunderbar Jennie sich doch darauf verstand, dachte Peter, immer genau das Richtige zu sagen, so daß sich jeder wohl fühlte und gleich zu schnurren begann.
«Dies ist Ebony», sagte Jennie jetzt und stellte Peter einer pechrabenschwarzen Katze mit sehr schlanken Flanken vor. «Ist sie nicht geradezu blendend schön? Nirgends hat sie ein weißes Fleckchen in ihrem Fell, kein einziges weißes Haar. Das ist höchst selten, weißt du. Ebony gehörte einer alten Witwe, die in der Edgware Road einen Tabakladen besaß. Als sie starb, nahm sich niemand Ebonys an. Dabei hat sie so treu bei der Alten ausgeharrt. Acht Jahre lang! Man sollte meinen, die Frau hätte in ihrem Testament irgendwelche Vorsorge für Ebony treffen müssen, aber daran hatte sie nicht gedacht. Der armen Ebony ist es recht sauer geworden, sich an das Leben auf der Straße zu gewöhnen, nicht wahr, meine Liebe?»
Ebony ließ mitten aus ihrem kohlschwarzen Gesicht eine rosige Zungenspitze hervorschnellen und fuhr sich damit verlegen ein paarmal über die Schulter. Sie war so gerührt, daß sie nicht recht wußte, ob sie aufstehen oder sich hinlegen sollte.
«Und dieser zähe Bursche hier», sagte Jennie und zeigte auf einen scheckigen Kater, bei dessen weißem Gesicht und Schnauzbart Peter unwillkürlich an den Weihnachtsmann denken mußte, «heißt Pounce Andrews und hat wirklich verdammt viel Pech gehabt. Sein erstes Heim war ein Schlachterladen, der pleite machte, dann kam er zu einem Schneider, und der mußte seinen Laden auch
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