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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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drängte sich Lulu so dicht sie nur konnte an Peter und flüsterte ihm zu; «Ist es nicht herrlich, solche Angst zu haben? Findest du das nicht auch wundervoll? Ich könnte mein Leben lang hier so stehenbleiben und zittern. Ist es nicht wahnsinnig aufregend?»
    Doch bald darauf erklärte sie: «Ich fürchte mich wirklich; ich möchte mich gern an dich kuscheln und schlafen.»
    Sie liefen um den Löwenkäfig herum und suchten sich ein Versteck, wo Lulu sich sogleich niederlegte, und ritterlich streckte Peter sich neben ihr aus. Daraufhin rollte sie sich zu ihm herum, schmiegte sich an ihn, legte ihm ihre beiden Vorderpfoten aufs Gesicht und schlief ein. Peter lag so unbeweglich da wie eine Statue, denn er wollte sie nicht aufwecken, aber ihre Pfoten kitzelten ihn, und da die eine ihn sogar am Atmen hinderte, schob er sie ganz behutsam von sich fort, was Lulu unverzüglich mit einem heiseren Protestschrei quittierte.
    «Nein, nein!» schrie sie, riß ihre blauen Augen weit auf und funkelte Peter vorwurfsvoll an. «Ich schlafe viel besser, wenn meine Pfoten auf deinem Gesicht liegen. Das ist ein so angenehm weiches Gefühl. Bitte halt doch still!» Diesmal brachte sie es fertig, ihm ihre Pfoten in die Ohren zu stecken, aber er wagte nicht, sich zu rühren, und schließlich nahm der lange aufregende Tag, den er hinter sich hatte, auch für Peter ein Ende, denn er fiel nun ebenfalls in Schlaf, schlief aber sehr unruhig.
    Als er am nächsten Morgen von dem Gebrüll des Löwen erwachte, der in ausgesprochen schlechter Laune und mit voller Lautstärke nach seinem Frühstück verlangte, sah Peter, daß Lulu aufrecht dasaß und sich nicht im geringsten zu fürchten schien, denn sie reckte sich wohlig und gähnte so ungeniert, daß er ihr direkt in ihren rosigen Schlund sehen konnte.
    «Hast du denn gar keine Angst mehr?» fragte er sie.
    «Angst?» erwiderte Lulu. «Vor wem? Vor diesem armen alten Vieh da in dem Käfig? Das war gestern, und gestern ist nie dasselbe wie heute. Meinst du nicht, daß morgen immer der beste Tag ist? Nein, heute fürchte ich mich nicht mehr vor dem Löwen, mag ich keinen Eiscreme mehr essen und bin ich den Betrieb auf dem Rummelplatz leid. Gehen wir, irgendwoanders hin. Du kennst dich doch überall aus, also geh du nur wieder voran.»
    Doch als Peter sich nun anschickte, unter der Zeltwand hinauszuschlüpfen, sauste sie wie ein Blitz an ihm vorbei und war schon zehn Meter weit gelaufen und wartete auf ihn, als er sich gerade erst zwischen dem schweren Leinen und dem Erdboden hindurchgezwängt hatte.
    «Du meine Güte», sagte sie, als er bei ihr ankam. «Ich warte hier schon seit Stunden auf dich und dachte bereits, du würdest überhaupt nicht mehr kommen. Findest du Regen etwa unsympathisch?»
    Ihre letzten Worte entbehrten wenigstens nicht ganz der Logik, denn als Peter endlich draußen war, stellte er fest, daß es ein grauer trüber Tag zu werden versprach, da schon jetzt am frühen Morgen ein feiner Sprühregen vom Himmel herabnieselte.
    «Ja, das tue ich allerdings», entgegnete er. «Ich finde es gar nicht schön, wenn es regnet. Mein Fell wird dann immer ganz naß und verklebt, und dann wird es schmutzig und...»
    «Schade», unterbrach ihn Lulu. «Ich liebe Regen. Alle Katzen sind wasserscheu, bis auf mich — bis auf uns Siamesen, wollte ich sagen. Bei Henley bin ich einmal direkt von einem Ruderboot ins Wasser gesprungen. Das war am Tag der großen Regatta, und alle Leuten klatschten Beifall. Komm, machen wir einen schönen langen Spaziergang im Regen. Das bekommt mir sehr gut, und meine Augen werden dann noch blauer.»
    Sie verließen also den Rummelplatz und die Heide von Hampstead und wanderten immer weiter nach Norden. Unterwegs fing es tüchtig an zu pladdern, aber Lulu, die sich sonst stets nur hüpfend und springend fortbewegt hatte, schien nun Gefallen daran zu finden, sehr gemächlich dahinzuschlendern, wobei sie fortwährend den Kopf hob, um ihre Augen dem Regen auszusetzen, damit diese, wie sie fest zu glauben schien, noch blauer würden. Peter wurde scheußlich naß, bisher war er vom Regen noch nie so durchnäßt worden, und dennoch schien es ihm nicht viel auszumachen, da er ja Lulu an seiner Seite hatte. Wenn der Regen wirklich ihre Augen blauer machte, war es das schon wert.
    Am frühen Nachmittag hörte es auf zu regnen, die Sonne kam wieder zum Vorschein, und Lulu bestand darauf, daß sie weitergingen, und so wanderten sie durch den Finsbury Park und dann weiter nach

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