Meine Freundin Jennie
sich sah, waren ihm die etwas schrägstehenden blauen Augen, die aus ihrem dunklen Gesicht wie aus einer samtenen Maske hervorleuchteten, ihr draller kleiner Leib mit dem rahmfarbenen Fell, den dunkelbraunen Ohren und Pfoten und dem ebenso dunklen Schwanz und vor allem ihre heisere, verführerische und herausfordernde Stimme noch immer deutlich gegenwärtig — dachte Peter zum erstenmal wieder an Jennie Baldrin; und als er sich nun bewußt wurde, daß er sie ja verlassen hatte, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wohin er gehe oder wann er zurückkommen würde, hatte er begreiflicherweise ein sehr schlechtes Gewissen.
Er stellte sich Jennie vor, wie sie in dem Obdachlosenasyl aufgewacht war, ihn nicht an ihrer Seite gefunden und ihn vergeblich gesucht hatte und niemand ihr etwas von seinem Verbleib hatte sagen oder ihr etwas von ihm hatte ausrichten können. Sicherlich hatte sie dann auf dem ganzen Cavendish Square und überall in der Nachbarschaft nach ihm gesucht, und als sie ihn nirgends entdeckte und er nachts und auch in der nächsten Nacht nicht zurückkam — ja, was mochte sie da wohl von ihm gedacht haben! Vielleicht hatte sie angenommen, er habe sich doch aus dem Staub gemacht, damit sie zu Buff zurückgehen könne; oder womöglich hatte sie sogar befürchtet oder vermutet, daß er, dem sie gerade das hochherzige Opfer gebracht hatte, um seinetwillen nicht zu der Familie, die sie liebte, zurückzukehren, ihr gleich am nächsten Morgen mit einer anderen Katze davongelaufen war.
Natürlich, redete Peter sich ein, hatte es sich in Wirklichkeit gar nicht so zugetragen, und in Gedanken hörte er sich bereits, wie er ihr, gleich, nachdem er sie begrüßt haben würde, eine kleine Rede hielt und ihr darin genau erklärte, wie alles gekommen war, damit sie seine Handlungsweise nicht etwa mißverstand. , wollte er ihr etwa sagen, Aber viel weiter kam Peter nicht, denn das hörte sich alles irgendwie hohl an, fand er, und schlimmer noch, es klang einfach zu töricht, ganz davon zu schweigen, daß Jennie ihn für wankelmütig und grausam halten mußte, und er konnte sich nicht vorstellen, daß er Jennie wirklich etwas dergleichen erzählen würde. Ja — aber was sollte er ihr sonst sagen?
Und je länger er darüber nachdachte, desto unsicherer und unglücklicher fühlte er sich in dieser ganzen Angelegenheit, denn es handelte sich ja nicht darum, daß er sich nur für ein paar Stunden oder höchstens einen einzigen Tag herumgetrieben hatte, sondern er war ja volle drei Tage fortgeblieben! Und das Schlimmste war, daß er Lulu, kurz bevor sie ihn verließ, angefleht hatte, nicht zu ihren Leuten zurückzukehren, sondern sich mit ihm zusammenzutun zu so etwas wie einer immerwährenden Vergnügungsreise oder einem nie endenden Ferienausflug. Natürlich brauchte Jennie davon nichts zu erfahren, aber das änderte ja nichts daran, daß er selber es wußte, und Peter fand in diesem Augenblick, daß es nicht gerade sehr angenehm war, das zu wissen.
Eine Zeitlang erlag er der Versuchung, sich etwas auszudenken, was er Jennie erzählen konnte, um sie darüber hinwegzutäuschen, daß er sie so lieblos verlassen hatte, irgendeine dramatische Geschichte von zwei Katzenfängern, zwei üblen Burschen mit karierten Mützen und bunten Halstüchern, die ihn gerade in dem Augenblick, als er im Begriff war, einer mittelgroßen Maus, die er Jennie als Frühstück mitbringen wollte, den Garaus zu machen, mit einem Netz einfingen und dann mit ihm in einem furchtbar schnell fahrenden Auto wegfuhren.
Da ließ sich noch alles mögliche erzählen — von einem geheimnisvollen Haus in Soho, mit geschlossenen Fensterläden und verriegelter Tür; von einem schweigsamen, gefährlich aussehenden Chinesen, der ein langes Messer bei sich trug und sein Gefängniswärter war; von dem maskierten
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