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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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verdutzt über dieses seltsame Gebaren seiner sonst immer so lustigen und unbekümmerten kleinen Gefährtin, erwiderte Peter: «Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, wir sind im Eppinger Forst.»
    Lulu schrie entsetzt auf und sprang von ihm fort, als habe er eine ansteckende Krankheit. «Himmel I Ich kann mich auf nichts besinnen. Ich muß betäubt worden sein. Was ist denn heute für ein Tag? Und seit wann sind wir unterwegs?»
    Peter rechnete nach: Am Dienstag waren sie zusammen losgezogen, erinnerte er sich. «Donnerstag, glaube ich», erwiderte er, «oder Freitag, ganz genau kann ich es nicht sagen.»
    «Donnerstag oder womöglich schon Freitag!» jammerte Lulu. «Oh, was hast du getan! Meine armen Leute! Ich muß sofort nach Hause. Die armen, armen Menschen! Wie werden sie sich um mich sorgen! Ich bedeute ihnen mehr als alles in der Welt. Sie werden schon ganz krank sein vor lauter Angst und Aufregung, du Elender...»
    «Aber... aber Lulu...», stammelte Peter, der nun überhaupt nicht mehr aus noch ein wußte, «du hast mir doch selbst gesagt, du wolltest, daß deine Leute sich sorgten; daß es sonst nur halb soviel Spaß mache und...»
    «Pfui!» rief Lulu empört. «Wie kannst du nur so böse und so schlecht sein! Erst lockst du mich mit allen möglichen Schmeichelworten und Versprechungen von zu Hause fort, stopfst mich mit Eiscreme voll, um mich dumm zu machen, und dann wälzt du die Schuld auch noch auf mich ab. Hast deinen Spaß an mir gehabt und machst mich verantwortlich! Ich glaube nicht, daß ich dich je Wiedersehen oder auch nur noch ein einziges Wort mit dir reden möchte. Ich gehe sofort nach Hause. Das einzig Gute ist nur, daß meine Leute so froh sein werden, mich wieder bei sich zu haben, daß sie vielleicht gar nicht daran denken, mich auszuschelten. Aber wahrscheinlich werden sie mich längst für tot halten. Und viel hätte ja auch nicht gefehlt, bei all den Gefahren, denen du mich ausgesetzt hast...»
    Bei diesen heftigen Vorwürfen und sogar mehr noch bei dem schrecklichen Gedanken, Lulu zu verlieren, verlor Peter völlig den Kopf.
    «Lulu!» flehte er, «bitte geh nicht wieder zu diesen Leuten zurück! Bleibe bei mir — für immer! Ich werde dafür sorgen, daß du jeden Tag Eiscreme und ein paar Mäuse bekommst, und ich will dich auch so oft waschen, wie du nur magst, nur verlaß mich nicht...»
    «Oh!» rief Lulu wieder und dann noch einmal: «Ohhhhhh!», und jetzt klang ihre Stimme wirklich zugleich entrüstet und wütend. «Wie kannst du es wagen, daran auch nur zu denken! Weißt du nicht, daß ich eine Prinzessin bin? Bei dir bleiben — so eine Frechheit! Ich sollte dich dem nächsten Schutzmann übergeben! Aber das tue ich nicht, weil ich viel zu gutherzig bin. Alle meine Freunde sagen, ich sei die Langmut in Person. Aber wage es ja nicht, darauf zu spekulieren! Ich gehe jetzt sofort nach Hause und wünsche nicht, daß man mir nachläuft. Leb wohl.»
    Und danach kehrte sie ihm den Rücken zu und sprang in großen Sätzen zwischen den Bäumen davon, während Peter wie gelähmt sitzenblieb und in seiner Bestürzung und Qual kein Wort über die Lippen zu bringen vermochte. Doch als Lulu vielleicht zwanzig Meter weit gelaufen war, blieb sie plötzlich stehen, schaute sich nach ihm um und rief über ihre Schulter zurück: «Aber lustig war’s doch, nicht wahr?»
    Dann rannte sie weiter, so schnell, daß Peter bald nur noch ihre Schwanzspitze sehen konnte, bevor sie für immer seinen Blicken entschwand — denn er sollte Lulu nie Wiedersehen.

Die Spitzel

    Ja, als Lulus dunkler Schwanz hinter einem dichten Gebüsch verschwand, war er das letzte, was Peter von ihr zu sehen bekam. Als Peter dann, nicht weniger bekümmert und bestürzt über die unvermutete Fahnenflucht seiner neuen Freundin und Spielkameradin als über die Anklagen, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte, zum Waldrand trottete, wo die eintönige Reihe von Zweifamilienhäusern, die sich glichen wie die Erbsen in einer Schote, wieder vor ihm auftauchte, und er die Straße hinuntersah, war von Lulu keine Spur mehr zu erblicken. Sie hatte sich also nicht eines Besseren besonnen; sie hatte nicht auf ihn gewartet, hatte ihre Meinung nicht geändert und war also tatsächlich ohne ihn nach Hause gelaufen.
    Und jetzt, wo er sich wieder allein befand und der eigentümliche Zauber, den Lulu auf ihn ausgeübt hatte, gebrochen oder, richtiger gesagt, nicht mehr ganz so stark war — denn obwohl er sie nicht mehr leibhaftig vor

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