Meine Freundin Jennie
in der Wohnung zurück, und es machte eigentlich gar keinen Spaß, so allein zu sein, denn wenn er auch tagsüber mit seinen Freunden spielte oder bei ihnen eingeladen wurde, fühlte er sich doch abends sehr einsam ohne seine Eltern. Und wenn sie nicht zusammen verreisten, machten sie sich jeden Abend fein und gingen aus. Und dann sehnte er sich am meisten nach einer eigenen Katze, die mit ihm spielte und sich nachts am Fußende von seinem Bett zusammenrollte oder sich bei ihm einkuschelte.
Und er erzählte Jennie auch alles von seiner Mutter, wie groß und schlank und wie jung und schön sie war mit ihren ganz blauen Augen, den dunklen Wimpern und dem hellblonden seidenweichen Haar, das dieselbe Farbe hatte wie die Sonnenstrahlen, die am späten Nachmittag schräg durch das Fenster ins Kinderzimmer drangen.
Aber besonders entsann er sich noch und betonte das auch, wie gut sie immer roch, wenn sie zu ihm hereinkam, um ihm gute Nacht zu sagen, bevor sie abends ausging; denn wenn Peters Vater nicht da war, langweilte sie sich und war unglücklich, und um sich etwas zu zerstreuen, ging sie deshalb abends mit Bekannten viel ins Theater oder auf eine Gesellschaft.
Dann liebte er sie wohl am meisten, erklärte Peter, wenn sie so in einer Wolke aus irgendeinem wunderschönen Stoff hereingeschwebt kam und so aussah und so roch wie ein Engel mit dem hellen weichen Haar, das so herrlich duftete, und wie sehr wünschte er sich gerade dann, wenn sie ihn allein ließ, ganz fest in ihre Arme genommen zu werden.
Jennie nickte. «Mmmm! Ich weiß, Parfüm! Ich mag auch alles gern, was gut riecht.»
Sie ärgerte sich nur, als Peter nun erzählte, daß ihm nicht erlaubt wurde, eine Katze zu haben, weil diese in der kleinen Wohnung eine zu große Unordnung machen könnte. «Unordnung, wahrhaftig!» rief sie empört. «Wir machen nie Unordnung, wenn man uns nicht reizt, und dann tun wir’s absichtlich. Und können wir denn nicht mal...» Aber merkwürdigerweise nahm sie Nannys Partei, als Peter dann darauf zu sprechen kam, daß Nanny Katzen nicht mochte und sogar Angst vor ihnen hatte.
«Ja, es gibt Leute, die mögen uns eben nicht», erklärte ihm Jennie, als Peter sie erstaunt ansah, «und wir können das verstehen und achten sie deswegen. Mitunter macht’s uns zwar Spaß, sie ein bißchen zu necken, indem wir uns an ihnen scheuern oder uns ihnen auf den Schoß setzen, nur um zu sehen, wie sie dann aufspringen. Sie können ebensowenig dafür, wie wir dafür können, daß wir eine gewisse Art von Menschen picht mögen und nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Aber wenigstens wissen wir doch, woran wir sind, wenn wir einem Menschen wie deiner Nanny begegnen. Verstehst du, es sind die Menschen, die uns lieben oder jedenfalls behaupten, sie liebten uns, die uns weh tun und...»
Sie sprach den Satz nicht zu Ende, sondern drehte sich rasch um, setzte sich auf und begann eifrig ihren Rücken zu waschen. Doch Peter glaubte, bevor sie sich abwandte, in ihren Augen einen feuchten Schimmer gesehen zu haben, obwohl er sich das natürlich eingebilder haben mußte, da er noch nie etwas davon gehört hatte, daß Katzen auch Tränen vergossen. Erst später sollte er erfahren, daß sie sowohl lachen als auch weinen konnten.
Trotzdem hatte er das Gefühl, daß die kleine Tigerkatze einen geheimen Kummer hatte, genau so wie er, und in der Hoffnung, sie von irgendwelchen traurigen Gedanken abzulenken, redete er schnell weiter und schilderte ihr jetzt die Ereignisse, die zu seiner merkwürdigen und rätselhaften Verwandlung geführt hatten.
Zunächst erzählte er ihr von dem schwarzgelb gestreiften Kätzchen, das sich vor dem kleinen Park auf dem Cavendish Square sonnte und putzte und das er so gern hatte fangen und auf den Arm nehmen wollen. Jennie zeigte sich sofort interessiert. Sie hörte auf, sich zu waschen, und fragte: «Wie alt war sie denn? Und war sie hübsch?»
«O ja», sagte Peter, «sehr hübsch und so drollig...»
«Hübscher als ich?» fragte Jennie mit vorgetäuschtem Gleichmut.
Ja, dachte Peter, denn das Kätzchen hatte so ausgesehen wie ein kleiner Ball aus lauter Flaumfedern mit prächtigen Schnurrhaaren und zwei weißen und zwei braunen Pfoten. Doch hätte er Jennie um nichts in der Welt dadurch kränken wollen, indem er ihr das sagte. Denn trotz ihrer reizenden Art und dem lieben Ausdruck in ihrem weißen Gesicht war Jennie mit ihrem etwas zu kleinen Kopf, den länglichen Ohren und den geradezu asiatisch anmutenden
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