Meine Freundin Jennie
beinahe schön, als sie erwiderte: «Aber natürlich. Schließlich bin ich doch für dich verantwortlich, nachdem ich dich gefunden und hierhergeschleppt habe. Aber eins mußt du mir versprechen, wenn ich versuche...»
«Ja», rief Peter eifrig. «Alles verspreche ich dir.»
«Zunächst tu bitte immer, was ich dir sage, bis du anfangen kannst, selbst ein bißchen auf dich achtzugeben. Aber das Wichtigste ist, daß du niemandem sonst dein Geheimnis verrätst. Es genügt, daß ich es weiß, die anderen brauchen es nicht zu wissen, weil sie es doch nicht verstehen würden. Wenn wir in irgendeine Patsche geraten, laß mich nur reden. Paß du lieber auf, daß du jeder anderen Katze gegenüber nie auch nur ein Wort darüber fallen läßt und auf keine Weise andeutest, was du eigentlich bist. Versprichst du mir das?»
Peter versprach es, und Jennie gab ihm mit ihrer Pfote einen kameradschaftlichen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. Allein schon die Berührung dieser Sammetpfote und die Selbstverständlichkeit dieser impulsiven Liebkosung ließen Peter sich wieder glücklicher fühlen.
«Willst du mir jetzt nicht deine Geschichte erzählen», sagte er, «wer du bist und wo du herkommst? Ich weiß doch gar nichts von dir, und du bist so gut zu mir gewesen, daß ich...»
Jennie zog ihre Pfote zurück, und ihr liebes Gesichtchen sah plötzlich ganz traurig aus, als sie sich für einen Augenblick abwandte. «Später vielleicht, Peter», sagte sie dann. «Jetzt fällt es mir noch zu schwer, darüber zu sprechen. Und außerdem wirst du’s vielleicht gar nicht gern hören. Da du, wie du sagst, in Wirklichkeit gar kein Kater, sondern ein Junge bist, wirst du wohl kaum verstehen können, wie mir zumute ist und warum ich nie wieder mit Menschen Zusammenleben will.»
«Bitte erzähl sie mir doch», bat Peter. «Deine Geschichte wird mir bestimmt gefallen, weil du mir so gut gefällst.»
Jennie konnte nicht umhin, Peters Offenherzigkeit mit einem kurzen Schnurren zu quittieren. «Du bist ein lieber Kerl», sagte sie und verstummte für ein Weilchen, als müsse sie sich erst noch über etwas klar Werden. Dann fuhr sie fort:
«Schau mal, im Augenblick ist es für dich doch am wichtigsten, daß du wenigstens eine Ahnung davon bekommst, wie man als Katze lebt. Und je eher wir damit anfangen, desto besser. Mich schaudert’s, wenn ich daran denke, was dir alles zustoßen könnte, wenn du wieder allein herumlaufen würdest. Wie wär’s, wenn ich dir erstmal eine Stunde gebe? Und natürlich ist nichts notwendiger, als daß du lernst, wie man sich wäscht. Nachher wird es mir vielleicht auch möglich sein, dir meine Geschichte zu erzählen.»
Weil sie so freundlich zu ihm war und er sie nicht erzürnen wollte, verbarg Peter seine Enttäuschung und sagte nur: «Ich will mir Mühe geben, obwohl ich kein sehr guter Schüler bin.»
«Ich helfe dir ja, Peter», versicherte Jennie ihm, «und du wirst staunen, wieviel besser du dich fühlen wirst, wenn du dich da erst auskennst. Denn eine Katze muß nicht nur wissen, wie man sich wäscht, sondern auch, wann! Verstehst du, es läuft ungefähr darauf hinaus...»
Bist du dir im Zweifel — wasch dich!
«Bist du dir im Zweifel, über irgend etwas im Zweifel — wasch dich! Das ist die Grundregel», sagte Jennie. Den Schwanz um ihre Pfoten gerollt, saß sie jetzt sehr gerade und etwas steif — beinahe so wie die Lehrerin in der Schule, dachte Peter — direkt unter Napoleons Anfangsbuchstaben und der Krone am Kopfende auf dem großen Bett. Aber offensichtlich fand sie die Rolle der Lehrerin und die respektvolle Aufmerksamkeit, die Peter ihr bezeigte, gar nicht so unangenehm, denn sie machte ein zufriedenes Gesicht, und ihre Augen leuchteten wieder ganz hell.
Draußen in der Welt, die außerhalb des dunklen und schmutzigen Möbelspeichers lag, hatte die Sonne jetzt ihren Höhepunkt am Himmel erreicht, und ihre schrägen Strahlen, die durch das kleine Fenster in den Verschlag drangen, fielen in einer von Staub flimmernden Lichtgarbe auf Jennies Kopf und Schultern, als würde diese, während sie unterrichtete, wie auf der Bühne von einem Scheinwerfer angestrahlt.
«Hast du irgend etwas angestellt und jemand schilt dich — wasch dich schnell», fuhr Jennie fort. «Verlierst du dein Gleichgewicht und fällst von etwas herunter — wasch dich! Befindest du dich in einem heftigen Streit und möchtest die Feindseligkeiten gern unterbrechen, bis du dich ein wenig gesammelt hast, fang einfach an,
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