Meine Freundin Jennie
sich und ging zum Regal hinüber, aus dem er einen Marmeladentopf herausnahm. Er fuhr mit dem Messer hinein und kratzte damit auf dem Boden herum, aber soviel er auch kratzte und schabte, bekam er doch nicht ein einziges Kleckschen Marmelade auf die Messerspitze, was eindeutig bewies, daß der Topf leer war.
«Na schön», sagte Mr. Grims noch immer in bester Laune, «alles nimmt halt mal ‘n Ende. Aber deshalb braucht ihr beiden nich zu befürchten, daß euch bei mir was abgehn wird. Nein, Pussies, ihr werder bestimmt nich zu kurz kommen, dafür sorgt der alte Grims schon. Jeden Morgen Haferflocken mit ‘nem bißchen Sahne dazu, oben von der Milch! Und manchmal, wenn gerade ‘n Schiff aus Argentinien einläuft, auch ‘n ordentliches Stück Rindfleisch, frisch geschlachtet, so, wie’s aus dem Kühlraum kommt. Und natürlich könnt ihr auch die Kais und die Lagerschuppen mit mir inspizieren, und was es da nich alles für Kisten und Ballen, Pakete und Bündel zu untersuchen gibt! Ich weiß gar nich, wo die alle herkommen — aus Indien, aus China, Südafrika, Australien und Nuu York...»
Er blickte sich wohlgefällig in dem winzigen Raum um und fuhr fort: «Am besten würd ich wohl mein Bett in die Ecke da drüben hinstelln, dann könnt ihr in der andern auf ein paar alten Decken oder sonst irgendwas Weichem schlafen, da würden wir einander bei unserem Kommen und Gehen gewiß nich stören, Pussies, das heißt, falls ihr überhaupt Lust habt, mir Gesellschaft zu leisten und ‘ne Weile bei mir zu bleiben. Viel hab ich euch ja nich zu bieten, aber ‘s wär doch ‘n richtiges Heim für uns alle, und ihr solltet es schon nich schlecht bei mir haben. Ja, das gilt auch für dich, Weißfell, solange du dich mit meiner kleinen Puß hier gut verträgst.»
Wie er sich da die letzten Bissen der köstlichen und so nahrhaften Leber schmecken ließ und sich auch noch von der Milch angenehm gesättigt und überhaupt so schön warm und behaglich fühlte, hätte Pete, sich nichts lieber gewünscht, als bei Mr. Grims zu bleiben und von ihm betreut zu werden. Es machte ihm nichts aus, daß der alte Mann so schmutzig und alles in der Baracke so ärmlich, so abgenutzt und beschädigt war, im Gegenteil, er empfand das sogar als eine Erleichterung, weil er hier keine Gefahr lief, irgend etwas kaputt zu machen. Zu Hause hatte er sich bei dem einen oder anderen Möbelstück oder den vielen Nippsachen immer so vorsehen müssen...
«Was hat er gesagt?» fragte ihn Jennie, während sie nach beendeter Mahlzeit ihre rechte Pfote beleckte und sich damit sorgfältig erst die Schnurrhaare und dann das Gesicht abwischte.
Peter erzählte ihr in großen Zügen, was Mr. Grims vor sich hin gebrabbelt hatte, betonte jedoch die Tatsache, daß sie beide herzlichst eingeladen waren, sich hier häuslich niederzulassen. Jennie unterbrach für einen Augenblick die Reinigungsprozedur und bemerkte: «Da siehst du’s ja, worauf er hinaus will. Hab ich dir’s nicht gesagt? Es wollte mir gleich nicht gefallen, daß er die Tür so rasch hinter uns zugemacht hat...»
«Er ist doch aber so nett und freundlich», wandte Peter ein.
«Das sind sie alle — anfangs», erwiderte Jennie. «Aber glaub mir, Peter, ich weiß Bescheid. Du kannst mir schon vertrauen. Wir müssen nur eine günstige Gelegenheit abwarten, und sobald sich eine bietet, tu bitte genau, was ich dir sage. Aber waschen wir uns jetzt nur weiter, als wär’s uns ganz recht, hierzubleiben.»
Peter hätte auch nicht im Traum daran gedacht, Jennie ernstlich zu widersprechen, da er ja ihrer Weisheit, ihrer Güte und ihrer Großmut schon soviel und, genau genommen, sogar sein Leben verdankte, und so begann auch er sich die Schnurrhaare und das Gesicht zu säubern, woraufhin Mr. Grims vergnügt ausrief: «Ja, putzt euch nur ein bißchen! Das seh ich gern, Pussies, wenn ihr’s euch so bequem macht, das zeigt mir doch, daß ihr euch hier zu Hause fühlt.»
Er nahm die schmutzigen Teller, stellte sie in einen Eimer und ging damit hinaus. «Fließendes Wasser und so is hier nich», erklärte er Peter und Jennie, «aber draußen is ‘n Hahn, und da hab ich nich weit zu laufen. Ich werd mich selber auch gleich schrubben, das ist dann ein Aufwasch.» Er machte die Tür sorgfältig hinter sich zu, kam aber schon kurz darauf mit dem vollen Wassereimer zurück und setzte ihn auf den Ofen. Doch diesmal schnappte die Tür nicht richtig ein. Peter bemerkte es gar nicht, aber Jennie hatte es sofort gesehen.
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