Meine Freundin Jennie
und also nicht wußten, was sich ereignet hatte, schenkten sie den beiden Katzen, die da unter dem Brückenbogen kauerten, keine Beachtung, und so blieben Peter und Jennie sich selbst überlassen.
«Du meine Güte», sagte Peter, «das war wirklich eine aufregende Geschichte...»
Aber Jennie stieß nur einen langen tiefen Seufzer aus. Wie sie da dicht an dem großen Steinsockel der Brücke hockte, wo zwei Nächte zuvor ihr schreckliches Erlebnis seinen Anfang nahm, sah sie noch längst nicht wieder wie das lustige Pelzknäuel aus, zu dem sie sich sonst immer zusammenrollte, und Peter betrachtete sie forschend. «Jennie», sagte er, «freust du dich denn gar nicht, daß alles so gut abgelaufen ist und man uns gerettet hat und wir noch am Leben sind?»
Jennie starrte ihn nur mit ihren großen feuchten Augen an, und Peter bemerkte, daß sie allem Anschein nach drauf und dran war, wieder in Tränen auszubrechen, und daß sie noch nie so ratlos und verzweifelt dreingeschaut hatte.
«Ach, Peter», sagte sie stöhnend, «ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so unglücklich gewesen. Ich hab ein so heilloses Durcheinander angerichtet...»
«Liebste Jennie 1» rief Peter bestürzt, lief zu ihr hinüber und setzte *ich so dicht neben sie, daß seine Flanke die ihre berührte und Jennie sich Plötzlich richtig geborgen fühlte. «Was quält dich denn so? Willst du es nicht sagen? Irgend etwas scheint dich ja schon seit langem zu beunruhigen und zu bedrücken.»
Sie putzte sich rasch ein wenig, um sich etwas zu sammeln, und schmiegte sich noch enger an ihn. «Ich weiß nicht, was ich ohne dich an, fangen sollte, Peter. Du bist mir ein so großer Trost gewesen. Ja, es stimmt, ich habe dir etwas sehr Wichtiges zu sagen, weil ich nämlich meine Meinung geändert habe, aber ich komme mir so töricht vor. Des. halb hab ich’s dir nicht eher erzählt. Aber in den letzten Tagen mußte ich immer wieder daran denken, und nach allem, was geschehen ist, kann ich es nun nicht länger bei mir behalten...»
«Ja, Jennie», brummte Peter mitfühlend, während er sich im stillenfragte, was in aller Welt er nun wohl zu hören bekommen würde. «Also heraus mit der Sprache!»
«Versprichst du mir, daß du mir nicht böse sein wirst?»
«Natürlich verspreche ich das.»
«Peter», sagte Jennie, «ich möchte gern wieder nach London und zu Mr. Grims zurückkehren und bei ihm bleiben.» Und dann lehnte sie sich an ihn und weinte leise vor sich hin.
Jennie macht ein Geständnis
Peter starrte Jennie an, als traue er seinen Ohren nicht recht.
«Jennie! Ist das dein Ernst? Meinst du wirklich, wir könnten zu Mr. Grims zurückkehren und bei ihm bleiben? Oh, wie gern würde ich das tun!»
Jennie hörte auf zu weinen und lehnte nun ihren Kopf an Peters Flanke, damit er nicht sehen konnte, wie erregt sie war und wie sehr sie sich schämte.
«Ach, Peter», sagte sie mit ganz sanfter Stimme, «dann bist du mir also wirklich nicht böse?»
«Natürlich nicht, Jennie. Wie könnte ich dir deswegen böse sein? Ich fand Mr. Grims doch gleich furchtbar sympathisch, so lustig und freundlich und gutmütig, wie er war; und auch die vielen Blumen in seinem Haus und wie der Teekessel auf seinem Ofen summte und er alles, was er hatte, mit uns teilen wollte! Und außerdem schien er schrecklich einsam zu sein...»
«Peter — bitte nicht», jammerte Jennie, «ich kann es nicht ertragen, dich so sprechen zu hören. Das hat mir die ganze Zeit auf dem Gewissen gelegen, seit wir ihm weggelaufen sind. Es war sehr häßlich von mir, das zu tun. Alte Leute sind immer so viel einsamer als irgend jemand sonst auf der Welt. Ich werde nie vergessen, wie er aussah, als er da in der Tür stand und uns anflehte, doch zu ihm zurückzukommen — so gramgebeugt und mutterseelenallein. Es hat mir fast das Herz gebrochen...»
«Aber Jennie», entgegnete Peter, «du warst damals doch richtig wütend auf mich, als ich genau dasselbe sagte, wie wir ihm davonrannten. Erinnerst du dich nicht? Ich sagte, ich käme mir so gemein vor...»
«Ja, natürlich war ich wütend», sagte Jennie, die ihr Gesicht noch immer in Peters Fell verbarg, «weil du recht hattest und ich das wußte. Ich war roh und lieblos, gar nicht wie eine Katze und einfach abscheulich. Und du warst lieb und gut und natürlich und wolltest das einzig Richtige tun, und dadurch kam ich mir selber nur noch scheußlicher vor. Deshalb hab ich dir dann den Vorschlag gemacht, mit mir nach Glasgow zu
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