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Meine Freundin Jennie

Meine Freundin Jennie

Titel: Meine Freundin Jennie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Brückenturm hinaufgejagt worden, konnte Mäuse und sogar Ratten fangen, sich also seinen Lebensunterhalt verdienen, und hatte sich überdies auch die Achtung eines Mannes wie Mr. Strachan erworben. Kurz, er war nun eine Persönlichkeit!
    Er hätte sich jetzt vielleicht auch beherrschen können, aber die scharfsinnige Jennie hatte erraten, was da geschehen war, und versuchte ihn zu trösten. «Ach, Peter», sagte sie, während sie sich dicht an ihn schmiegte, «sie sind wohl fortgezogen und haben dich im Stich gelassen. Ich hab mir’s schon gedacht, als ich die Karte da sah, wenn ich ja auch nicht lesen kann, was drauf steht. Und es tut mir so leid für dich! Es ist gerade so wie — nun, wie damals, als meine Leute auszogen und mich zurückließen. Ja, das muß es sein. Soviel habe ich begriffen.»
    Durch diese Erinnerung an ihr eigenes trauriges Schicksal war Jennie selber nahe daran, in Tränen auszubrechen, wenn sie sie auch in letzter Minute noch unterdrückte und stattdessen begann, Peter zärtlich und energisch das Gesicht zu waschen, mit dieser zugleich so betulichen und aufmunternden Kopfbewegung, die Peter so rührend fand; und natürlich veranlaßte ihn das erst recht, seinen Tränen jetzt freien Lauf zu lassen.
    Dabei tat ihm auch Jennie leid, weil sie wieder daran erinnert worden war, wie übel man ihr damals mitgespielt hatte, und teils, um seine eigene Fassung wiederzuerlangen, teils, um ihr sein Mitgefühl zu bekunden, wusch er jetzt ihr das Gesicht, während sie ihm das seine ableckte, was zur Folge hatte, daß nun auch Jennie ihre Gefühle nicht mehr zu beherrschen vermochte. Im nächsten Augenblick fingen sie beide an, jämmerlich zu heulen, und suchten sich ihren Kummer durch einen lauten Klagegesang zu erleichtern, so daß sie also genau das taten, wovor Mr. Schwarzmann sie ausdrücklich gewarnt hatte — nämlich Lärm zu machen und die Einwohner zu stören, wenn es auch heller Tag und noch nicht einmal zwei Uhr mittags war.
    In dem großen weißen Haus wurde daraufhin ein Fenster geöffnet, und eine Stimme rief: «Still, Pussies! Schert euch hier weg! Ihr macht mich bloß traurig!»
    Und dann beugte sich ein Kopf aus dem Fenster, der einem auffallend hübschen Mädchen gehörte. Das Mädchen hatte welliges braunes Haar, das von einer roten Schleife nur lose zusammengehalten wurde, so daß es ihr in Locken auf die Schultern fiel und das frische reizende Gesicht umrahmte, aus dem über einem zarten, noch kindlichen Mund sanfte braune Augen auf die beiden unglücklichen Katzen niederblickten.
    Das war es jedenfalls, was Peter wahrnahm, als er unter Tränen hinaufschaute, aber Jennie sah noch etwas anderes, was sie zurückschrecken ließ, als habe sie ein Gespenst erblickt. Mit erhobener Vorderpfote und einem höchst sonderbaren Ausdruck im Gesicht starrte sie ein paar Sekunden lang wie gelähmt auf diese Erscheinung.
    Und gleichzeitig wurden auch die Augen des Mädchens ganz runtj vor Staunen, ihrem Mund entfuhr ein leises «Oh!» der Überraschung und der Ungläubigkeit, und dann rief sie laut: «Jennie! Jennie Baldrin] Ach, mein armer Liebling! Oh, warte, bitte, lauf nicht weg! Ich komme gleich zu dir runter...»
    Und damit verschwand sie vom Fenster, und Peter und Jennie hörten beide, wie drinnen im Haus jemand eilig die Treppe herunterlief, und bevor Peter noch die Möglichkeit hatte, mehr zu sagen als: «Jennie, sie weiß, wie du heißt, und hat dich mit deinem vollen Namen angerufen», wurde die Haustür aufgerissen, und atemlos mit hochroten Wangen kam das Mädchen herausgestürzt, nahm Jennie in ihre Arme, herzte und küßte sie, wiegte sie wie ein kleines Kind und sagte schluchzend: «Jennie, meine liebe, geliebte, liebste Jennie! Oh, du bist es wirklich, endlich habe ich dich gefunden! Oder warst du es, die mich gefunden hat, du kluges, gescheites Katzentier? Meine kleine Jennie, du erkennst deine alte Buff doch wieder, nicht wahr, mein Liebling? Ach, ich möchte dich immerzu küssen vor lauter Freude...»
    Und es war gar kein Zweifel möglich, daß Jennie sie wiedererkannte, denn mit einem vor Glück und Zufriedenheit strahlenden Gesicht legte sie sich ihrer Buff wie ein langes, schlaffes, aber lebendiges Stück Fell sogleich um die Schultern und begann so laut zu schnurren, daß es sich fast so anhörte wie das Motorengebrumm eines Flugzeugs.
    Als jetzt auch in den anderen Häusern ein paar Fenster geöffnet wurden und die Leute, über diesen Spektakel verwundert, neugierig den Kopf

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