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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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zu
schämen, hab ich’s der süßen jungen Dame überreicht. Befolgen Sie meinen Rat; geben Sie kein Buch
aus der Hand, solange Sie es nicht geprüft haben.«
     
    Aus Susys
Biographie
     
    Dann gingen Mama und ich
einkaufen, und Papa ging General Grant besuchen. Als wir unsere Einkäufe beendet hatten, gingen wir
beide zusammen ins Hotel zurück. Als wir unser Hotelzimmer betraten, fanden wir auf dem Tisch eine
Vase mit exquisiten roten Rosen vor. Mama, die Blumen über alles liebt, rief aus: »Oh, wer die wohl
geschickt hat?« Wir betrachteten die Karte, die inmitten der Rosen steckte, und sahen, dass sie in
Papas Handschrift auf Deutsch beschrieben war. »Liebes Geshchenk on die Mama.« (Ich bin mir sicher,
dass ich nicht »on« geschrieben hatte – das ist Susys Rechtschreibung, nicht meine; auch bin ich mir
sicher, dass ich »Geschenk« nicht ganz so freizügig buchstabiert hatte. S. L. C.) Mama freute sich
sehr. Papa kam nach Hause und gab Mama ihr Billett; und nachdem er eine Weile mit ihr verbracht
hatte, ging er Major Pond besuchen, und Mama und ich setzten uns zum Mittagessen. Danach waren wir
lange mit Packen beschäftigt, und gegen drei Uhr begleiteten wir Mama zum Zug. Wir stiegen mit ihr
ein und blieben etwa fünf Minuten bei ihr, dann verapschiedeten wir uns, und der Zug nach Hartford
setzte sich in Bewegung. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ohne Mama von zu Hause weg
war, obwohl ich schon 13 J. war. Papa und ich fuhren zurück zum Hotel, holten Major Pond ab und
gingen die Brooklyn Bridge besichtigen wir fuhren mit der Straßenbahn nach Brooklyn und liefen zu
Fuß von Brooklyn nach New York zurück. Wir erfreuten uns an dem schönen Anblick und sahen, wie die
Brücke in der flirrenden Hitze der Sonne ziterte. Es war herrlich, doch wir waren zimlich müde, als
wir ins Hotel zurückkehrten.
    Am nächsten Morgen standen wir zeitig auf, frühstückten und nahmen einen der ersten Züge nach
Poughkeepsie. Wir hatten eine sehr angenehme Fahrt nach Poughkeepsie. Der Hudson war überwältigend –
ganz in wunderbaren Nebel gehüllt. Als wir in Poughkeepsie eintraffen, regnete es zimlich heftig;
ich war sehr enttäuscht, denn ich hätte mir so gern die Gebäude des Vasser College von außen
angesehen, was aber, wenn es regnete, unmöglich war. Die Fahrt vom Bahnhof zum Vasser College war
zimlich lang, und Papa und ich hatten viel Zeit, über deutsche Flüche zu sprechen und zu lachen.
Eine der deutschen Wendungen, die Papa besonders gern mag, ist »O heilige maria Mutter Jesus!«. Jean
hat ein deutsches Kindermädchen, und das war eine ihrer Wendungen, es gab eine Zeit, als Jean bei
jeder Kleinigkeit »Ach Gott!« rief, aber als Mama dahinterkam, war sie entsetzt und bereitete der
Sache sofort ein Ende.
     
    Das ruft mir
jenes hübsche kleine deutsche Mädchen lebhaft in Erinnerung – ein süßes, unschuldiges, dralles
kleines Geschöpf mit pfirsichfarbenen Wangen; ein kleines Fräulein mit reiner Seele und ohne Arg,
ungeachtet der derben Ausdrücke, mit denen sie bis zu den Augenbrauen voll war. Sie war noch ein
Kind. Keine fünfzehn: Sie war eben erst aus Deutschland eingetroffen und konnte kein Englisch.
Ständig warf sie mit ihren Flüchen um sich, die mir solch eine Genugtuung bereiteten, dass ich nicht
im Traum daran dachte, sie zurechtzuweisen. Um meiner selbst willen verspürte ich nicht die
geringste Neigung, sie zu verraten. Ich gab mir sogar Mühe, dass ihr niemand auf die Schliche kam.
Ich riet ihr, ihre religiösen Übungen aufs Kinderzimmer zu beschränken, und ermahnte sie, daran zu
denken, dass Mrs. Clemens gegen Frömmigkeiten an Wochentagen sehr voreingenommen war. In den Ohren
der Kinder klangen die Gotteslästerungen des kleinen Fräuleins normal und anständig und richtig,
denn von unseren Deutschlandbesuchen her waren sie derlei Gerede gewohnt und legten ihm keine böse
Bedeutung bei. Es betrübt mich, dass ich diese derben Ausdrücke vergessen habe. Lange Zeit hütete
ich sie in meinem Gedächtnis wie einen Schatz. An einen immerhin kann ich mich noch erinnern, weil
ich ihn so oft gehört habe. Die Haare der Kinder waren eine große Plage im Leben des kleinen
Geschöpfs. Sie zog und zerrte mit ihrem Kamm darin herum undbegleitete ihre
Arbeit mit unangebrachten Frömmigkeiten. Und wenn sie endlich mit allen dreien fertig war, feuerte
sie ihren Dank auf diese Weise explosionsartig gen Himmel, wo er hingehörte: »Gott sei Dank ich bin
schon fertig mit’m Gott verdammtes

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