Meine geheime Autobiographie - Textedition
und streng. Auch später, als wir Lehrlinge zusammen mit einem Wandergesellen namens Pet McMurry vom Keller ins Erdgeschoss befördert wurden und mit am Familientisch sitzen durften, nahm die Sparsamkeit ihren Fortgang. Mrs. Ament war seine Braut. Sie hatte diese Auszeichnung erst kürzlich erlangt, nachdem sie den Großteil ihres Lebens darauf gewartet hatte, und gemäß den Ament’schen Vorstellungen war sie die rechte Frau am rechten Platz, denn nicht einmal die Zuckerdose vertraute sie uns an, sondern süßte eigenhändig unseren Kaffee. Das heißt, sie führte die Bewegungen aus. Sie süßte ihn nicht wirklich. Es sah nur so aus, als gäbe sie einen gehäuften Teelöffel braunen Zucker in jede Tasse, aber Wales zufolge war das eine List. Er sagte,sie tauche den Löffel zuerst in den Kaffee, damit der Zucker daran klebenbleibe, löffle dann den Zucker mit dem umgedrehten Löffel aus der Dose, so dass das Auge einen gehäuften Löffel zu sehen meinte, während der Zucker in Wahrheit nur eine dünne Schicht bildete. Das leuchtete mir vollkommen ein, aber ich vermute, da ein derartiges Kunststück schwer zu bewerkstelligen gewesen wäre, dass es sich nicht wirklich so zutrug, sondern eine von Wales’ Lügen war.
Ich sagte, Wales war unbekümmert, was stimmte. Es war die Unbekümmertheit einer beständig übersprudelnden und unzerstörbaren, aus der Freude der Jugend geborenen guten Laune. Ich glaube, es gab nichts, was dieser riesige Bursche nicht getan hätte, um sich eine fünfminütige Abwechslung zu verschaffen. Man wusste nie, wann es das nächste Mal über ihn kommen würde. Zu seinen glänzenden Charaktereigenschaften gehörte auch eine grenzenlose hinreißende Respektlosigkeit. In seinem Leben schien es nichts Ernstes zu geben; nichts, wovor er Achtung hatte.
Einmal kam der gefeierte Gründer einer damals weitverbreiteten neuen Sekte, der Campbellites, aus Kentucky in unser Dorf, und es entstand eine ungeheure Aufregung. Die Farmer und ihre Familien kamen auf Fuhrwerken oder zu Fuß meilenweit herbei, um einen Blick auf den berühmten Alexander Campbell zu werfen und die Gelegenheit wahrzunehmen, ihn predigen zu hören. Hätte er in einer Kirche gepredigt, wären viele abgewiesen worden, denn es gab keine Kirche, die auch nur einen Bruchteil der Zuhörer hätte aufnehmen können; also predigte er, um allen entgegenzukommen, unter freiem Himmel auf dem großen Dorfplatz, und zum ersten Mal wurde mir bewusst, was für eine gewaltige Bevölkerung dieser Planet beherbergt, wenn man alle an einem Ort versammelt.
Bei einer dieser Gelegenheiten hielt er eine Predigt, die er eigens für diesen Anlass geschrieben hatte. Alle Campbellites wollten einen Nachdruck davon haben, um sie aufzubewahren und wieder und wieder durchzulesen und auswendig zu lernen. Also sammelten sie sechzehn Dollar, damals eine stattliche Summe, und für diese stattliche Summe erhielt Mr. Ament den Auftrag, fünfhundert Exemplare der Predigt zu drucken und in gelbe Papierumschläge zu binden. Es war eine sechzehnseitige Broschüre im Duodezformatund sogar für unsere Druckerei ein großes Ereignis. In unseren Augen war es ein Buch, das uns die Würde von Buchdruckern verlieh. Außerdem war auf unsere Druckerei noch nie zuvor ein solcher Geldsegen niedergegangen: sechzehn Dollar auf einen Schlag. Die Leute bezahlten ihre Zeitung und ihre Anzeigen nicht etwa mit barer Münze, sondern mit Waren wie Zucker, Kaffee, Hickoryholz, Eichenholz, Rüben, Kürbissen, Zwiebeln, Wassermelonen – wohingegen es in der Tat nur sehr selten vorkam, dass jemand mit Bargeld bezahlte, und wenn es doch geschah, glaubten wir, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
Wir setzten die Seiten des großen Buches – acht Seiten auf einer Druckplatte –, und mit Hilfe eines Druckerhandbuchs gelang es uns, die Seiten auf die scheinbar verrückte, in Wahrheit aber von der Vernunft gebotene Stelle des Metteurtischs zu platzieren. Diese Seiten druckten wir an einem Donnerstag. Dann setzten wir die übrigen acht Seiten, brachten sie in Position und machten einen Probeabzug. Wales las ihn und war bestürzt, denn er war auf ein unerwartetes Problem gestoßen. Es war nicht die Zeit, um auf ein unerwartetes Problem zu stoßen, denn es war Samstag; es war fast Mittag; Samstagnachmittag hatten wir frei; und wir wollten angeln gehen. Ausgerechnet in einem solchen Moment musste Wales auf ein Problem stoßen und uns zeigen, was geschehen war. Auf einer engbedruckten Seite mit knappstem
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