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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Reihe saß.
    Von Mona Lisa war heute seltsamerweise kaum etwas zu hören. Grandma Birdy sagt, die Venezuelas hätten früher in der Wohnwagensiedlung in Skeeterville gewohnt, obwohl sie behaupten, adeligen Geblüts zu sein und aus Spanien zu stammen. Mona Lisa, die angeblich nach dem weltberühmten Gemälde benannt wurde, hat ein geheimes Muttermal, das au ßerhalb ihrer Familie nur ich kenne. Es sieht aus wie der Kopf von Frankenstein, mit Schrauben und allem Drum und Dran, und Mona Lisa trägt seit jeher lange Hosen, um es zu verbergen. Ich habe es einmal auf dem Spielplatz gesehen, als wir noch klein waren, und sie hat mich gebeten, niemandem davon zu erzählen. Als ob ich das je tun würde! Doch eine andere
Sache ist noch viel seltsamer an ihr. Immer wenn Romey und Cairo beim Cheerleadertraining sind, schleicht sie sich in Mamas Buchladen und schaute sich ausgiebig medizinische und historische Bücher sowie Klassiker an - genau die Bücher, die ich gerne lese.
    Mr Bonaparte kam herein und setzte sich hinter sein Pult. Die Klasse kicherte. Mr Bonaparte ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Oh, Miss Monroe, ich sehe, Sie haben wieder ein Müllproblem.« Dabei zeigte er auf den Mülleimer, der neben seinem Pult stand. So ist es immer. Es wird von mir erwartet, dass ich aufräume. Aber das ist mir egal.
    Dann geschah das Unglaubliche. Gideon Beaurogard meldete sich zu Wort: »Das sind die anderen gewesen, Mr Bonaparte. Die sollen das aufräumen.« Er schob seine Brille die Nase hinauf und warf den Kretins, die mit offenem Mund dasaßen, einen verstohlenen Blick zu.
    Ich war so verblüfft wie alle anderen auch. Niemand von uns hat Gideon je mehr als ein, zwei Wörter murmeln gehört, seit sein nichtsnutziger Vater mit einem Haufen Geld durchgebrannt war, das er sich von mehreren älteren Frauen erschwindelt hatte, die ihn für ein Finanzgenie hielten. Seine Mutter ist damals völlig durchgedreht und Gideon kam für eine Weile in fremde Obhut.
    »Miss Monroe! Kommen Sie zurück aus Drachenland!«, rief Mr Bonaparte. »Wer ist das gewesen?«
    Ich schluckte. Ich wollte keinen Ärger. Doch Gideon hatte für mich Partei ergriffen. Das würde ich ihm nicht vergessen.
    »Romey McKelvey«, flüsterte ich und fügte so leise, wie ich nur konnte, hinzu: »Schauerlich.«
    Mr Bonaparte schnippte mit den Fingern und zeigte auf den Mülleimer. Romey stand auf, schlurfte den Mittelgang entlang und zischte im Vorbeigehen in Gideons Richtung: »Missgeburt!«

    Nachdem ich mittags mein Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich mit Gewürzgurke gegessen hatte, zeichnete ich einen weiteren Drachen in mein Notizbuch. Ein geschmeidiges, schlangengleiches Wesen mit zwei mächtigen Vorderzähnen, das sich aus dem Meer erhob, um sich jederzeit auf ein hilfloses Schiff stürzen zu können.
    Ich sitze jeden Tag im entferntesten Winkel der Mensa, weit genug weg, damit die Essensbomben, die nach mir geworfen werden, mich nicht erreichen können. Als ich aufblickte, sah ich, dass Gideon mir in meinem einsamen Winkel Gesellschaft leistete und sich an den Nebentisch gesetzt hatte. Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern glotzten mich unentwegt an, während er einen betrüblich aussehenden, matschigen Hamburger aß. Es gab mal eine Zeit, in der er nur weizenfreie Nahrung und wabbeligen Tofu zu sich nehmen durfte. Seine Mutter erklärte, dass es kaum etwas Essbares gäbe, wogegen er nicht allergisch sei - vor allem Zucker -, und sie wolle von nun an während der Lunchzeit in die Schule kommen, um sicherzustellen, dass er nichts aß, was er nicht vertrug. Doch in den Pausen stand Gideon hinter einem Baum auf dem Schulhof und schaufelte ungehemmt Süßigkeiten in sich hinein, was nicht die geringsten Folgen zu haben schien, abgesehen davon, dass er fett wurde und seine Zunge sich verfärbte.
    Schließlich alarmierte einer der Nachbarn - niemand hat je herausgefunden, wer genau es war - die Behörden, dass bei ihm zu Hause etwas nicht in Ordnung sei. Ein Sozialarbeiter aus Whiskey fand ein heruntergekommenes Haus vor, das bis unters Dach mit Krempel und Unrat gefüllt war. Alte Zeitungen und Zeitschriften türmten sich so hoch wie die Chinesische Mauer und ließen nur schmale Pfade frei, auf denen man sich wie durch ein Labyrinth bewegte. Gideon wurde in fremde Obhut gegeben, und man stellte fest, dass er überhaupt
kein Allergiker war und auch seine Brille nicht gebraucht hätte, die er seit dem dritten Lebensjahr trug und die inzwischen seine

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