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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Uhrwerke und kommen stets pünktlich - so wie ich, bevor Biswick auftauchte und alles durcheinanderbrachte.
    Biswick und ich standen bei den Schienen und ließen unsere Blicke über die weite Prärie schweifen, die sich von den Bergen bis ans Ende der Welt zu erstrecken scheint. Die einzigen Tupfen auf der weiten Ebene sind Kakteen, und nur die vereinzelten über die Prärie treibenden Steppenläufer bringen ein wenig Bewegung in diese stille und starre Welt. Biswick
rief »Halllooo!«, um zu prüfen, ob es hier ein Echo gibt, woraufhin ein Rennkuckuck hinter einem Kaktus hervorschoss. Biswick rannte gleich hinter ihm her und versuchte, ihn zu jagen, doch als er begriff, dass er dabei den Rest seines Dilly Bar verlieren würde, kam er keuchend zurück.
    Über uns hatte der Himmel eine tiefrote Färbung angenommen, als hätte jemand mit einem riesigen Pinsel darübergestrichen. Gottes Pinsel, sagt Mama. Selbst Wunder schienen in dieser Umgebung nicht völlig ausgeschlossen. Mama sagt, in der Tiefe meines Bewusstseins sei das Wissen um den Zauber dieser Welt enthalten. Es sei in mich eingebettet, ein sanftes Wunder, das auf mich wartet. Ha. Außerordentlich.
    »Warum ist der eine größer als alle anderen?«, fragte Biswick mit Blick auf die Berge. »Sieht komisch aus.«
    Ich folgte seinem Blick. Der Cathedral Mountain, das Paradestück der Bergkette. Mit seinen langen, spitzen Gipfeln, die sich wie Türme in den Himmel recken, sieht er aus wie eine abstrakte Version von Notre Dame. »Das ist nur der Cathedral Mountain«, sagte ich ihm. »Angeblich kann man dort immer noch den Pfad erkennen, den der Ziegenhirte einst benutzt hat.« Wanderer haben ihn markiert, das hat mir jedenfalls Maydell Rathburger erzählt.
    »Weißt du, dass ich auf Kommando kotzen kann?«, nuschelte Biswick, während er sich die Reste seines Dilly Bar vom Arm schleckte. Er hatte einen kleinen Chaplin-artigen Schokoladenschnurrbart. »Manchmal kommt es auch zufällig, aber meistens kann ich es mit Absicht machen.«
    Ich antwortete ihm nicht. Der Zug kam. Ich spürte die Vibrationen unter meinen Füßen. Es war der 740. Ich war vollkommen ruhig. Entspannt. Als hätte ich tausend FF-Atemzüge gemacht.
    »Willst du mal sehen?«
    »Nein, Biswick!« Auf seinem Arm war mehr Eiscreme als in
seinem Bauch. Um ganz sicherzugehen, drohte ich ihm: »Oder wir gehen sofort nach Hause. Keine Züge.«
    »Kann ich deine Smiley-PEZ-Box haben? Ich hab sie neulich in deinem Zimmer gesehen.«
    »In meinem Zimmer?« Ich war sauer. Niemand darf ungefragt in mein Zimmer gehen.
    »Bug hat mir deine Sammlung gezeigt. Da hab ich den Smiley gesehen und musste an meinen Daddy denken. Er nennt mich Mr Smiley, weil ich die ganze Zeit lächle.« Beim Lächeln bildete sein Mund tatsächlich einen perfekten Halbkreis, so wie beim Smiley. »Gibt’s du sie mir?«
    »Nein!«, antwortete ich entschieden. Ich würde nie eine meiner PEZ-Boxen hergeben.
    Er leckte erneut an seinem Dilly Bar. »Ich kann dir dafür meinen Gespensterkopf geben.«
    Ich verdrehte die Augen. »Oh, außerordentlich.« Ich könnte sofort zu Piggly Wiggly gehen und mir dort eine Gespensterkopf-PEZ-Box für weniger als einen Dollar kaufen. »Wertlos!«
    Jetzt konnte ich ihn am Horizont erkennen. In all seiner wunderbaren Wildheit stampfte er uns entgegen. Normalerweise blieb ich einfach stehen, kniff die Augen zusammen und ließ mich mit der Kraft eines Hurrikans zurückstoßen, wenn er an mir vorbeibrauste. Doch aus unerfindlichen Gründen - vielleicht weil ich hier neben König Biswick Quengel stand, dessen Eis tropfte, und weil sowieso alles ein Chaos geworden war - behielt ich meine Augen offen und starrte ihn an. Irgendwas stimmte hier nicht. Eine Bewegung, die sonst nicht da war. Verrücktes Mädchen, sieht Gespenster. Ich zwinkerte. Jemand hing halb aus der Tür und bereitete sich auf den Absprung vor. Ich schaute zu Biswick hinüber. Er leckte die letzten Tropfen von seinem Arm. Ich bewegte mich nicht vom Fleck, als es geschah.

    Nachdem der Zug an uns vorbeigedonnert war, blickte ich sofort auf die andere Seite der Schienen, um zu sehen, ob jemand dort war. Bei einer kleinen Ansammlung von Mesquite-Bäumen sah ich eine Gestalt, die der Stadt entgegenlief. Mich beschlich ein seltsames Gefühl, als ich das blaugraue Flanellhemd erkannte.
    Onkel Dal.
    Er trägt immer dieselben beiden Hemden, sogar in der Hitze, weil er wie viele Cowboys der Meinung ist, der dicke Stoff sei der beste Schutz gegen die Sonne.

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