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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Tabakdose ab.
    Veraleen blickte auf und schützte ihre Augen mit der Hand vor der Sonne. »Ich lege mir einen Heilkräutergarten an«, sagte sie, während sie sich den Dreck von den Händen klopfte. »Es ist schon lange her, dass ich meinen eigenen Kräutergarten hatte.« Als sie fröhlich lächelte, sah ich zum ersten Mal, dass sie einen goldenen Vorderzahn hatte, der wie ein Schatz
in der Sonne funkelte. Und mitten auf dem Zahn befand sich ein kleiner türkisfarbener Stern. »Hier drüben werden wir Weidenröschen haben, auch Feuerkraut oder Frauenhaar genannt, sowie Kamille und Ambrosia. Und da drüben ein Geißblattgewächs, das auch als ›Amerikanischer Schneeball‹ bezeichnet wird, Mehlbeeren und Dattelpflaumen, vielleicht auch Brombeeren.« Sie machte einen tiefen FF-Atemzug und murmelte vor sich hin: »Brombeeren gegen Bindehautentzündung, Matsch aus einer Schweinesuhle, Lindenblüten sind gut für die Nerven, aber niemals reiben. Niemals reiben.«
    Biswick lief zu ihr und umarmte sie. Sie schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn an sich, während ihr Oberkörper hin und her wogte wie ein Schiff auf hoher See. »Du bist ein süßer Junge.«
    »Pflanzen die meisten Leute nicht im Frühjahr?«, fragte ich. »Mischmasch, irrtümlich«, brummte ich weiter. Sie beachtete die Jahreszeiten nicht. Ich ließ mich auf ein Fleckchen mit verdorrtem Gras plumpsen. Biswick griff sich eine kleine Schaufel und begann sofort, die trockene Erde zu bearbeiten.
    »Ja, die meisten Leute machen das wohl«, antwortete Veraleen, indem sie mich durchdringend ansah. Ihr Gesicht war so zerfurcht wie ein Pfirsichkern, doch ihre Augen funkelten wie Saphire. »Oh, ich muss einfach die Wildblumen meiner Heimat wiedersehen. Die Stern-Flockenblume, das Berufskraut, den Bocksbart - der ist wirklich wunderschön -, Gelbliches Ruhrkaut und den Bartfaden...« Biswick verzog amüsiert das Gesicht. »Prachtscharte und breitblättriger Gummibetrieb …«, bei diesem Namen brach Biswick in schallendes Gelächter aus, »… und natürlich die süßlich riechende Präriebergamotte, auch ›Duftende Indianernessel‹ genannt.« Biswick kugelte sich prustend am Boden, während er sich den Bauch hielt und sagte, er mache sich gleich in die Hose. Veraleen beachtete ihn nicht.
Sie murmelte vor sich hin: »Präriebergamotte. Die haben wir benutzt, als Mama aufgebahrt wurde.« Dann fuhr sie damit fort, den Boden aufzuhacken.
    Biswick hatte seinen Lachanfall überwunden und krabbelte zu ihr hinüber. »Warum hat dein Gesicht so viele Falten?«, fragte er. Seine Kleider waren staubig und dreckverschmiert.
    Veraleen stieß ihr sonores, brummendes Lachen aus. »Die Sonne, Baby.« Sie holte tief Luft. »Mein ganzes Leben lang war mein hübsches Gesicht der Sonne ausgesetzt. Aber was soll’s, ich brauche mir ja keinen Cowboy mehr zu angeln.« Ich sah einen Anflug von Trauer über ihr Gesicht huschen. »Küsse verfliegen, das Kochen bleibt, hat meine Mama immer gesagt. Denk daran, Merilee.« Biswick grunzte.
    Ich fragte mich, ob sie mal mit einem Cowboy verheiratet gewesen war. Vielleicht hatte er nicht gut geküsst. Und wo waren ihre Kinder? Vielleicht längst erwachsen. Aber ich will gar nicht mehr alles über jeden wissen. Hab keine Lust mehr, ständig zuzuhören. Ich bin nicht Gott - falls es den überhaupt gibt, was ich mir nicht vorstellen kann. Wahrscheinlich ist er irgendwo in Urlaub, gemeinsam mit Dinosauriern, Kobolden und Elfen und all den anderen Fabelwesen, die Eltern sich ausdenken, damit ihre Kinder das Leben für ein großes, spannendes Abenteuer halten.
    Biswick hackte immer wieder auf den harten Boden ein. »Biswick, mein Süßer, könntest du kurz reingehen und mir ein bisschen Wasser holen?«, fragte Veraleen. »Danach kannst du dir einen von den warmen Keksen nehmen, die auf der Arbeitsplatte liegen.« Biswick brauchte nicht länger überredet zu werden. Er rannte ins Haus.
    Veraleen grub weiter. »Manchmal geschehen noch Wunder, meine Süße«, sagte sie.
    Ich blinzelte. Jetzt klang sie wie Mama.

    »Die Leute werden zwar denken, dass es unmöglich ist, bei diesem harten Boden irgendwas anzupflanzen, aber ich werde es versuchen«, sagte sie.
    »Es ist kein Frühling.«
    »Bis zum Frühling kann ich nicht warten«, entgegnete sie, während sie mir einen kurzen Blick zuwarf. »Ich möchte Gottes Garten sehen, bevor ich von hier fortgehe.«
    »Sie wollen weggehen, Veraleen?« Ich wusste nicht, warum ich fragte. Ich wusste ja, dass sie nach

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