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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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ich.
    »Deshalb hat er dich nicht so angeguckt. Schau, er ist immer noch da.«
    Ich folgte seinem Blick und sah, dass Gideon sein Fahrrad wieder angehalten hatte. Er blickte wirklich zu uns herüber. Ich wandte den Kopf ab.
    »Warum magst du ihn nicht?«, fragte Biswick.
    »So richtig mag ich niemanden.«
    Wir schwiegen beide, Biswick und ich, während wir Gideon in der Ferne betrachteten.
    »Er mag dich aber«, stellte Biswick fest. »Er will dich küssen.« Dabei machte er ein lautes, schmatzendes Geräusch.
    »Ha!«, stieß ich aus. »Nicht in hundert Jahren!«
    »Veraleen sagt, jeder sehnt sich nach jemandem.«
    »Und weißt du, was das bedeutet, sich sehnen?« Ich stand auf und ging an ihm vorbei. Ich wollte erneut zu Gideon hinüberblicken, doch jetzt war er verschwunden. Biswick schüttelte
den Kopf. »Es bedeutet, dass man sich etwas ganz stark herbeiwünscht, tief in seinem Herzen«, erklärte ich.
    »So wie ein Wassereis, wenn es ganz, ganz heiß ist?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete ich, »und manchmal noch viel mehr.«
    »Oh, jetzt weiß ich. Ich sehne mich danach, den Baum des Kon … kisters zu finden. Ich will unbedingt der Erste aus dieser Gegend sein, der ihn findet.«
    »Den Baum des Konquistadors«, verbesserte ich und seufzte. »Ich hab dir doch gesagt, dass sich das jemand ausgedacht hat. Es gibt diesen sagenhaften Baum nicht. Das steht nur in den Werbebroschüren, um die Touristen nach Jumbo zu locken. Mit den Irrlichtern ist es genauso.«
    »Die Lichter interessieren mich nicht. Aber ich will diesen Baum finden. Dann wird er in Zukunft Biswick-Baum hei ßen.«
    »Außerordentlich. Bist du bald fertig, Biswick? Mir ist nämlich kalt.« Ich fing an, auf der Stelle zu treten, weil meine Beine langsam einschliefen.
    Biswick lachte. »Das sieht aus, als ob du tanzt«, kicherte er. »Weißt du, dass Grashüpfer einen kleinen Tanz aufführen, bevor sie sich paaren?« So langsam hatte ich das Gefühl, dass er sich all diese Dinge nur ausdachte.
    »Außerordentlich.«
    »Wirst du auf dem Jumbo Lights Festival mit Gideon tanzen?« Unter der wilden Perücke sah ich sein schmollendes Gesicht.
    »Auf keinen Fall«, antwortete ich entschieden. »Ich werde nicht mit Gideon tanzen, weder heute noch später. Schauerlich.«
    Biswick schien über meine Antwort erleichtert. »Gut.«
    Ich lief ein bisschen herum. Langsam kehrte das Gefühl in meine Füße zurück.

    »Warum rennst du eigentlich immer in der Gegend rum?«, fragte Biswick.
    Ich dachte einen Moment darüber nach. »Weil es mir dann besser geht«, antwortete ich. »Viel besser.«
    »Oh.« Und dann: »Wonach sehnst du dich, Merilee?«
    In der Ferne sah ich die Chitalpi-Bergkette aufragen. Der Cathedral Mountain schien über Jumbo zu wachen. Ich dachte an Mama und ihren Unfall. An das, was sie von mir wollte und ich ihr nicht geben konnte. »Nach nichts, Biswick«, antwortete ich. »Nach gar nichts.«
    In dem Gerümpel zu meinen Füßen sah ich einen farbigen Gegenstand. Ich bückte mich und zog daran. Es war ein indianischer Federschmuck, der mit türkisfarbenen und weißen Perlen verziert war. Der hatte bestimmt zu einem Kinderkostüm gehört. Ich hielt ihn Biswick entgegen. Vielleicht kam er als Geschenk infrage.
    Er zog sich die Perücke vom Kopf und schaute mich vorwurfsvoll an. Dann warf er sie auf den Boden und rannte wieder hinter die Wäschetrockner.
    Was sollte das bedeuten? Ich lief hinter ihm her und fand ihn zusammengerollt auf dem Boden.
    »Biswick?« Ich hielt immer noch den Federschmuck in der Hand.
    »Hau ab!«
    »Ich lass dich hier nicht allein.«
    »Du willst nur, dass ich es zugebe«, sagte er leise.
    »Nein …«
    »Tu das weg!«
    Ich schleuderte den Federschmuck so weit von mir, wie ich konnte. Er landete hinter einem Reifenstapel. »Schau«, sagte ich. »Er ist weg.«
    Er setzte sich auf, ohne mich anzusehen. »Biswick, ich würde es niemandem erzählen«, sagte ich. »Bei mir sind Geheimnisse
gut aufgehoben. Da kannst du viele fragen.« Doch spürte ich auch eine gewisse Furcht. Ich war nicht so sicher, ob ich ein weiteres Geheimnis ertragen konnte. Mein Speicher war voll.
    »Meine Mutter hat das getan.«
    Ich wartete, aber er sagte nicht mehr. »Was getan?«
    »Als ich in ihrem Bauch war, hat sie zu viel getrunken«, sagte er. »Sie hat mich kaputt gemacht.«
    »Du bist nicht kaputt«, sagte ich. »Und sie hat das bestimmt nicht gewollt.«
    »Niemand will irgendwas«, sagte er, und ich fragte mich für einen Moment, was er damit

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