Meine letzte Stunde
bedeutungsloses Leben zu leben
• Angst davor, allein zu sein
• Angst davor, verloren zu sein
• Angst vor dem Tod
Es mag vielleicht überraschen, dass die Angst vor dem Tod nicht an erster Stelle steht. Doch die ersten drei Ängste sind die viel konkreteren und blockieren Menschen daher mehr als die abstrakte Angst vor dem Tod. In der ersten Hälfte unseres Lebens sind wir sehr von unseren Zielen und unserem Streben nach Erfolgen getrieben. Das, wonach sich die meisten Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte sehnen, sind emotionale Bindungen. Es herrscht eine große Angst vor dem Alleinsein, dem Vergessenwerden. Das gipfelt in der Furcht vor dem einsamen Sterben, ohne dass sich jemand um einen annimmt. Was leider gar nicht so unbegründet ist. Viele Bewohner in einem Pflegeheim bekommen überhaupt nie Besuch, weil sie niemanden haben, die Kinder im Ausland sind oder die Angehörigen sich ganz einfach nicht kümmern. Natürlich hoffen alle, dass das bei ihnen ganz anders sein wird. Und diese Hoffnung verleitet dazu, den Gedanken an das eigene Älterwerden am besten überhaupt gleich zu verdrängen, als ob es eine ansteckende Krankheit wäre, die schon durch den Gedanken an sie ausgelöst werden könnte.
Alle wollen alt werden, aber niemand will dann alt sein. Altern in Würde bleibt ein schöner Traum. Die einzige politische Auseinandersetzung mit den Alten findet in der jährlichen rituellen Debatte über das Ausmaß der Pensionserhöhung statt. Alle tieferen Fragen wie Einsamkeit, Respekt, Lebenssinn bleiben von der politischen Debatte völlig ausgeklammert. Frank Schirrmacher hat mit seinem Bestseller „Das Methusalem-Komplott“ den Finger auf die klaffende, immer größer werdende Wunde der Diskriminierung der Alten gelegt. Seine Thesen wurden heftig diskutiert – seine plausiblen Reformansätze von der Politik nicht einmal ignoriert.
„Völlig unvorbereitet brechen wir in die zweite Lebenshälfte auf, schlimmer noch, wir tun diesen Schritt in der irrigen Annahme, dass unsere Wahrheiten und Ideale uns wie bisher dienlich sein werden. Aber wir können den Lebensnachmittag nicht nach dem Programm des Lebensmorgens leben – denn was am Morgen großartig war, wird am Abend unbedeutend sein, und was am Morgen wahr war, ist bis zum Abend eine Lüge geworden.“
C. G. Jung
Genau diese Vorbereitung auf die zweite Lebenshälfte ist die Mission von Richard Leider. [2] Ich besuchte ihn an seinem Wohnort in Minneapolis, um von seiner Erfahrung zu lernen. Er zählt zu den besten Coaches der USA und hat acht Bücher über die Sinnfindung von Menschen in ihrer Lebensmitte geschrieben.
Wie viel ist genug?
Richard Leider veranstaltet Trekking-Safaris durch Tansania, die den Teilnehmern in der zweiten Lebenshälfte helfen sollen, ihre eigene Geschichte neu zu schreiben, statt einfach nur die erste Lebenshälfte zu wiederholen. Leider fuhr als Expeditionsleiter einer Gruppe von zwölf Teilnehmern nach Magaduru, einem kleinen Massaidorf im Hochland über der Serengeti. Dort wurden sie von Thaddeus Ole Koyie, dem Häuptling, begrüßt. Zeitig am Morgen brach die Gruppe unter der Führung von Koyie zum Trekking auf. Richard Leider war besonders stolz auf seinen neuen Hightech-ultraleicht-Rucksack. Dieser war eigens für Lastentrageeffizienz entwickelt worden und mit Schnallen, Reißverschlüssen, Innentaschen, Beuteln, Fächern in den Fächern ein wirklicher Traum und bis oben hin angefüllt. Richard Leider fühlte sich als Leiter der Tour für die Gruppe verantwortlich und war für jedes mögliche Problem bestens vorbereitet. Während sie den ganzen Tag durch die Hitze der Serengeti wanderten, schaute Koyie immer mit großer Verwunderung auf den Rucksack von Leider, während seine eigene Ausrüstung aus einem Lendenschurz und einem Speer bestand. Als sie am Abend das Lager aufschlugen, bat Koyie den völlig erschöpften Leider, ihm einmal zu zeigen, was er denn da so alles in diesem riesigen Gepäcksstück durch die Serengeti schleppte. Stolz öffnete Richard Leider die Schnallen, Reiß- und Klettverschlüsse und breitete seine Schätze vor Koyie aus: Grabinstrumente, Essutensilien, Schneidewerkzeuge, Peilgeräte, Sterngucker, Karten, Schreibzeug und Papier, verschiedene Kleidungsstücke in verschiedenen Größen für unterschiedliche Funktionen, medizinische Ausrüstung, Medikamente und Heilmittel, unzählige Fläschchen in wasserdichten Beuteln und vieles mehr. Die ausgebreitete Ausrüstung sah aus
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