Meine Rechte als Nachbar
auf dessen Grundstück die Früchte gefallen waren, hatte nichts gegen den Erwerb einzuwenden, andererseits war der Grundstücksnachbar zur Erreichung einer eigenen guten Ernte daran interessiert, dass möglichst wenige Früchte „überfallen“.
Das Amtsgericht Backnang (NJW-RR 1989, 785) hatte sich mit einem Fall zu befassen, bei welchem jährlich erhebliche Mengen von Mostbirnen auf das Nachbargrundstück fielen. Der stolze Besitzer der enormen Fallobstmenge verlangte vom Baumeigentümer die Erstattung der Kosten für den Aufwand zur Beseitigung der Birnenmassen und hatte Erfolg. Das Gericht war der Auffassung, dass die herabfallenden Früchte in diesem Umfang die Grundstücksnutzung des Nachbarn erheblich beeinträchtigten und er diesen Umstand nicht hinnehmen müsse.
§ 911 BGB findet keine Anwendung, wenn das Nachbargrundstück dem öffentlichen Gebrauch dient.
Der Nachbar baut über die Grenze
§ 912 Abs. 1 BGB Überbau
„Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.“
Juristisch spricht man von einem „Überbau“, wenn ein Nachbar ein Gebäude über die Nachbargrenze baut. Grundsätzlich kann sich der Nachbar gegen Eingriffe in sein Grundstück durch einen Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB) wehren. Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber jedoch bei Eingriffen in das Eigentum durch eine Überbauung der Grundstücksgrenze Sonderregelungen erlassen. Der Grundgedanke liegt darin, dass es wirtschaftlich unsinnig wäre, alle denkbaren Formen des Überbaus zu beseitigen, insbesondere dann, wenn den Bauherrn nur ein minderes Verschulden trifft. Das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet drei „Überbaufälle“:
den rechtmäßigen Grenzüberbau,
den rechtswidrigen, aber entschuldbaren Überbau,
den rechtswidrigen, unentschuldbaren Überbau.
Der rechtswidrige, unentschuldbare Überbau
Beginnen wollen wir mit dem an sich einfachsten Fall, dem rechtswidrigen, unentschuldbaren Überbau.
Max Schlitzohr möchte neben seinem Wohngebäude eine Garage errichten. Nach durchgeführter Vermessung stellt er fest, dass ihm hierzu nur ein Freiraum von 4 m bis zur Grundstücksgrenze zur Verfügung steht. Nach überschlägiger Kalkulation der Garagenmaße benötigt er allerdings einen Freiraum von mindestens 4,40 m. Ohne Rücksprache mit dem Nachbarn errichtet er die Garage. Hierbei missachtet er sowohl die ihm erteilte Baugenehmigung und auch den Grenzverlauf zum Nachbargrundstück. Der Nachbar stellt schließlich fest, dass Schlitzohr 0,50 m über die Grenze gebaut hat, und stimmt dem Überbau nicht zu. Vielmehr verlangt er die Beseitigung des Überbaus.
Von einem rechtswidrigen, unentschuldbaren Überbau spricht man dann, wenn
der Nachbar schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig) ein Gebäude über die Grenze baut und
der Grundstücksnachbar mit diesem Überbau nicht einverstanden ist.
Im vorliegenden Fall hat Schlitzohr vorsätzlich das Bauwerk über die Grenze errichtet und der Nachbar hat weder vorher seine Einwilligung noch später seine Zustimmung zum Überbau erteilt. Die Sonderregelungen des § 912 BGB greifen also nicht, sodass der Nachbar die Beseitigung des Überbaus nach § 1004 BGB auf Kosten von Schlitzohr verlangen kann; gleichzeitig kann er die Herausgabe der überbauten Grundstücksfläche verlangen (§ 985 BGB). Der unerlaubte Überbau erfüllt auch die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB, was dazu führt, dass der Nachbar von Schlitzohr die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (sog. Naturalrestitution, vgl. § 249 BGB) fordern kann.
Bösgläubig im Sinne von § 912 BGB handelt, wer im Bereich der Grundstücksgrenze baut und sich nicht, ggf. durch Hinzuziehung eines Vermessungsingenieurs, darüber vergewissert, ob der für die Bebauung vorgesehene Grund auch ihm gehört und er die Grenzen seines Grundstückes nicht überschreitet (BGH, MDR 2004, 89).
In diesem Zusammenhang hat der BGH klargestellt, dass Schadensersatzansprüche des Nachbarn gegen den Überbauer nur dann durch die Vorschriften der §§ 912 ff. BGB verdrängt werden, wenn dieser den Überbau nach diesen Vorschriften zu dulden hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2003, Az. V ZR 360/02).
Der rechtswidrige, unentschuldbare Überbau
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