Meine Rechte als Nachbar
wird nach herrschender Meinung bei Zustimmung des Nachbarn zum Überbau Eigentümer des Gesamtbauwerks.
Der rechtswidrige, aber entschuldbare Überbau
Anton Flüchtig hat vor Jahrzehnten ein Wohnhaus errichtet. Im Verlauf von Bauabsichten seines Nachbarn veranlasst dieser die Ermittlung des Grenzverlaufs durch Neuvermessung. Hierbei wird festgestellt, dass das Gebäude von Flüchtig geringfügig über die Grenze gebaut wurde. Sein Nachbar will gegen den geringfügigen Überbau keine Eigentumsrechte geltend machen.
Wie bereits erwähnt, wird durch § 912 BGB nur der Fall geregelt, dass die Grenze durch ein Gebäude überbaut wurde, ohne dass den Überbauenden ein Verschulden trifft. Es soll verhindert werden, dass ein Überbau in jedem Fall abgerissen wird.
Voraussetzungen eines entschuldbaren Überbaus:
Es muss sich um die Errichtung eines Gebäudes handeln. Unter einem Gebäude versteht man ein Bauwerk, das nach Art seiner Anlage, durch seine räumliche Umfriedung Personen, Tieren oder Sachen gegen äußere Witterungseinflüsse Schutz zu gewähren vermag. Es muss mit dem Boden fest verbunden und von gewisser Dauerhaftigkeit sein. Keine Gebäude sind demnach Zäune, Tore, Denkmäler, Mauern, Dämme, Pergola, Taubenschläge, Hundehütten, Gruben, seitenoffene Carports oder Abflusseinrichtungen.
Der Überbau muss durch den Eigentümer ausgeführt oder nachträglich genehmigt worden sein. Das bedeutet nicht, dass das Gebäude vom Eigentümer selbst errichtet sein muss; es reicht aus, dass es in seinem Namen und in seinem wirtschaftlichen Interesse errichtet worden ist. Gleichgestellt sind auch Erbbauberechtigte, nicht aber Mieter, Pächter oder Nießbraucher.
Es muss über die Grenze gebaut worden sein. Liegt ein Bau völlig auf dem Nachbargrundstück, ist § 912 BGB nicht anwendbar. Über die Grenze gebaut hat man auch dann, wenn das Gebäude oder ein festgefügter Teil des Gebäudes, z.B. ein Balkon, ein Erker, in den Luftraum des Nachbargrundstücks hinüberreicht.
Der Überbau darf nicht vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit erfolgt sein. Den Überbauer darf also kein Verschulden treffen. Vorsätzlich handelt er, wenn er weiß, dass er die Grenze überschreitet. Grob fahrlässig handelt der Überbauer, wenn er z.B. landesrechtliche Bestimmungen (so z.B. in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder Saarland) missachtet, wonach vor Neuerrichtung eines Gebäudes der Grenzverlauf festzustellen ist. Ein Verschulden des Architekten ist dem Bauherrn zuzurechnen (vgl. BGH, NJW 1977, 375); das gilt nicht bei Fahrlässigkeit des Bauunternehmers.
Vorsicht
Verschiedene Landesnachbarrechtsgesetze (z.B. Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) enthalten Bestimmungen, wonach einige Überbauten (z.B. wegen geringfügiger Übergriffe in den Luftraum) vom Nachbarn zu dulden sind. Solche Regelungen sind als rechtswidrig anzusehen, weil Art. 124 EGBGB (Ermächtigung zu landesrechtlichen Nachbarrechtsregelungen) einen landesrechtlichen Gestaltungsspielraum nicht zulässt, da § 912 BGB abschließend bundesgesetzlich erfasst wird.
Nach den Landesbauordnungen der Länder werden Baugenehmigungen in der Regel unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt. Im Klartext bedeutet dies, dass privatrechtliche Unklarheiten in Zusammenhang mit Grundeigentumsfragen die Erteilung der Baugenehmigung nicht verhindern.
Kein sofortiger Widerspruch nach der Grenzüberschreitung durch den Nachbarn: Bei dem Widerspruch handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben, sodass dieser auch durch schlüssiges Handeln erklärt werden kann. Eine Begründung ist nicht erforderlich. Im Zweifel sollte der Widerspruch schriftlich dem Nachbarn mit Empfangsbekenntnis oder per Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden. Widerspruchsadressat ist der benachbarte Grundstückseigentümer.
Widerspruch nach § 912 Abs. 1 BGB
Sehr geehrter Herr Schlitzohr,
am … habe ich festgestellt, dass Sie bei der Errichtung Ihres Gebäudes die Grundstücksgrenze im Bereich Gemarkung …, Flur …, Flurstück … überschritten haben. Vorsorglich mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich den vorgenommenen Überbau nicht dulden werde.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
Der Widerspruch muss „vor“ oder „sofort“ nach der Grenzüberschreitung erhoben werden, sodass der Überbau ohne erhebliche Zerstörung wieder beseitigt werden kann (BGH, NJW
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