Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Auch seine schleimlösende Wirkung bei Atemwegserkrankungen und seinen blutdrucksenkenden Effekt kannten die Römer. Und Lorbeer setzten sie nicht nur Triumphatoren aufs Haupt, sondern regulierten damit genauso ihren Blutzuckerspiegel. Es gibt sogar Hinweise, dass hoch dosierter Lorbeer vor Magengeschwüren schützen kann. So sinnvoll, gezielt und massiv wie im antiken Rom sind Gewürze nie zuvor in der Menschheitsgeschichte eingesetzt worden. Als man aber in Zeiten spätrömischer Dekadenz damit anfing, Paläste und halbe Städte mit den kostbaren Gewürzen zu parfümieren, statt damit sein Essen vernünftig zu würzen, war der Untergang des Imperiums besiegelt.
N ie im Leben hätte ich gedacht, dass ich einmal meinen Geburtstag in Beirut feiern würde. Doch das Leben ist einfallsreicher als die Fantasie. Und so stehe ich jetzt auf der Gartenterrasse eines herrschaftlichen Anwesens hoch über der Küste des Libanon, schaue hinunter auf den Hochhauswald seiner Hauptstadt Beirut und fühle mich eher wie in New York als im Nahen Osten. Verwandte von Freunden von Bekannten haben für mich spontan eine Feier organisiert, als sei ich ein uralter Freund der Familie und nicht irgendein Koch auf der Durchreise. Es sind Menschen von überwältigender Gastfreundschaft, alter libanesischer Geldadel, viel zu vornehm, um zu protzen, viel zu herzlich, um arrogant zu sein, viel zu rührend, um es nicht ehrlich zu meinen. Und sie haben mir zu Ehren einige der besten Köche des Landes eingeladen, in das mich meine Reise in die Welt der Gewürze aus einem einzigen Grund geführt hat: Wen auch immer man fragt – alle sagen, dass die libanesische Küche die beste der arabischen Welt sei.
Die Stadt aber, auf die ich blicke, verdient einen ganz anderen Superlativ. Nicht die Beste, Schönste, Magischste des Morgenlands ist sie, sondern die Eigenartigste. Eine kluge Frau hat mir gerade auf der Feier gesagt, dass Beirut ein Ort voller Widersprüche an der Grenze zum Wahnsinn sei. Genauso habe ich ihn heute erlebt. Wie verrückt wachsen die Wolkenkratzer aus dem Boden – und dazwischen rotten Kriegsruinen vor sich hin, übersät mit Einschusslöchern wie Pockennarben. Die Straßen sind voller Jaguars, Range Rovers oder Porsches – und zwischen ihnen ächzen rostige Mercedes-Taxen aus den Siebzigerjahren wie altersschwache Mulis die Hügel hinauf.
Die Stadt schwimmt in Geld, weil die Libanesen seit 3000 Jahren, seit den Zeiten der Phönizier, vielleicht die begabtesten Kaufleute der Welt sind – und trotzdem sieht Beirut an manchen Stellen aus wie Dritte Welt. Der alles beherrschende Bau ist die Hariri-Moschee mit ihren leuchtend blauen Kuppeln und himmelsstürmenden Minaretten – und großmütig lässt sie direkt neben sich Platz für eine Kirche der maronitischen Christen, in der die Messe noch immer auf Aramäisch gelesen wird, der Muttersprache von Jesus Christus.
»Unsere Heimat ist wie eine große Familie«, sagen die Libanesen. »Meistens vertragen wir uns, aber manchmal gibt es eben Streit.« Und manchmal auch Mord und Totschlag. 1975 eskalierte der Familienzwist zu einem mehr als fünfzehn Jahre dauernden Bürgerkrieg. Jeder kämpfte gegen jeden, Schiiten gegen Sunniten, gegen Drusen, gegen Christen, und am schlimmsten soll es gewesen sein, als sich die Christen sogar untereinander zerfleischten. Das schöne, alte Beirut, das vor dem Krieg als »Paris des Ostens« gerühmt wurde, haben die Panzer und Haubitzen fast vollständig ausgelöscht. Wenigstens die Altstadt hat man in einem eigenwilligen Mischmasch aus französischer Klassik und arabischem Traditionalismus wiederaufgebaut und mit lauter Luxusgeschäften von Dior bis Tiffany vollgestopft. Doch ihre Künstlichkeit klebt an ihr wie ein böser Fluch.
Ich rufe mir jetzt all das ins Gedächtnis, was ich heute in Beirut gesehen habe – etwa den Bioerzeugermarkt hinter der neuen Altstadt, auf dem zwischen Jachthafen und Kriegsruinen ausschließlich kleine, lokale Produzenten ihre Waren verkaufen dürfen: Obst und Gemüse, Honig und Öl, Brot und Snacks, Kräuter und Gewürze wie die berühmte »Sieben-Pfeffer-Mischung«, die auch Zimt, Nelken, Muskatnuss und Koriander enthält.
Ich gehe von Stand zu Stand, nasche hier und da, frage die Marktfrauen nach ihren Gewürzen und Küchengeheimnissen, lasse mir jedes Wort haargenau übersetzen, weil ich alles wissen muss. Denn erst das Verstehen der fremden Küche gibt jemandem wie mir das Recht, sie verändern zu dürfen.
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