Meine Reise in die Welt der Gewuerze
sparsam, manchmal sogar einfallslos gewürzt wird – und warum es vor allem immer dieselben Gerichte gibt. Man hätte das Lamm auf ein Bett aus Orangen- und Zitronenschalen, Thymian und Rosmarin, Ingwer und Knoblauch legen können, damit die Aromen beim Garen ins Fleisch einziehen. Man hätte in den letzten fünfzehn Minuten die Haut einritzen und mit einer Gewürzpaste einreiben können, das wäre wunderbar geworden. Warum hat das niemand gemacht? Wer erklärt mir das? Ich blicke mich um – und finde niemanden.
Doch dann naht die Rettung in letzter Sekunde. Sie taucht in Gestalt eines weißen Ritters auf – nur mit Hut statt Helm. Plötzlich steht er vor mir, redet wie ein Wahnsinniger auf mich ein, und nach zwei Minuten ist mir klar: Das ist er! Joe Barza ist mein Mann, mein schönstes Geburtstagsgeschenk an diesem Abend!
Joe Barza ist ein wilder Bursche mit Spitzbart, Hammerwerferkreuz, Ohrring in Besteckform und Glatze, die er als leidenschaftlicher Hutsammler permanent unter einer Kopfbedeckung versteckt. Er war Fallschirmjäger und Bodyguard eines libanesischen Präsidenten, der ermordet wurde. Anscheinend hat Joe kein Talent zum Menschenlebenretten und verlegte sich deswegen aufs Kochen. Heute hat er eine gut gehende Beratungsfirma für schlecht gehende Restaurants, die er nicht immer mit Geduld und Sanftmut auf Trab bringt. Und in seiner Kochfernsehshow, erzählt mir Joe, sei er sowieso der böse Bube.
Vor allem aber ist Joe Barza ein Revoluzzer, ein Bilderstürmer, ein Gotteslästerer, der den Heiligen Gral der libanesischen Küchenklassiker mit dem Vorschlaghammer zertrümmert. Zuerst wurde er dafür als Vaterlandsverräter verdammt, doch inzwischen begreifen immer mehr Menschen, dass er eine Mission hat: die Befreiung der Küche aus dem Gefängnis der Einfallslosigkeit und Traditionshörigkeit – genauso, wie ich vor vielen Jahren eine Mission hatte, als ich der bayerischen Küche einen Weg aus ihrer fetttriefenden Selbstgefälligkeit zeigte. Joe und ich, wir sind also Brüder im Geiste, umarmen uns stürmisch und verabreden uns für morgen früh an seinem Herd.
Joe Barza ist am nächsten Tag nicht zu bremsen, improvisiert wie der Teufel, lässt keinen Stein seiner Heimatküche auf dem anderen. Er legt mit seiner ganz eigenen Pesto-Variante los, mischt Thymian, Rucola, Minze, Koriander, Knoblauch, Pinienkerne, Olivenöl, pulverisierten Joghurt, schwarzen Pfeffer und Zitronensalz mit Hummus. Ich koste, lerne, lobe, grüble – sehr gut, Joe, ich würde nur etwas mehr Knoblauch nehmen und das Pesto mit flüssigem Joghurt cremig abschmecken. Joe ist aber schon, bevor ich es ihm sagen kann, bei der nächsten Kreation, einem roten Hummus, der seine Farbe Tomatenmark und einer Chilipaste verdankt und mit Walnüssen veredelt wird. Das schmeckt noch besser, vielleicht fehlen nur ein paar Korianderblätter, um die Geschmacksextreme auszubalancieren. Doch allein die Tatsache, dass sich jemand traut, dem immer gleichen, kleistergrauen Kichererbsenmus eine andere Farbe und einen anderen Geschmack zu geben, verdient einen Orden.
Wie ein Derwisch saust Joe in seiner Küche herum, vom Mixer zum Herd, von der Fritteuse zum Schneidebrett, und lässt sich von seiner Kreativität forttragen wie von einem fliegenden Teppich. Er bestreicht haarfeine Vermicelli-Nudeln mit geklärter Butter, wickelt in dieses Engelshaar den kräftigen Halloumi-Käse, frittiert das Ganze und vollendet es mit einem Tupfer Pesto. Er formt aus Linsen, Bulgur und gerösteten Zwiebeln ein Püreenest und füllt es mit einer Mischung frisch wie der Tau aus Tomaten, Petersilie, Zitrone, Minze, Granatapfelkernen, süßsaurer Granatapfelmelasse. Dann würzt er es mit Ingwer, Zimt, Nelken, Muskatnuss und Pfeffer. Die Auberginen röstet er ganz traditionell, um Raucharomen zu gewinnen, hackt sie aber zu einem Concassé klein, anstatt sie zu pürieren, um diese schleimige Konsistenz zu vermeiden. Danach verfeinert Joe sie mit Balsamico, Sesampaste und rohem weißem Bulgur, der die überschüssige Flüssigkeit bindet und den Auberginen eine körnige Konsistenz gibt – kleine Tricks, große Wirkung. Und ein spontaner Geniestreich ist sein Rote-Beten-Püree, das nur ein bisschen Sesampaste, Zitronensaft und Balsamico braucht, um in den kulinarischen Adelsstand erhoben zu werden. Jetzt noch ein Chutney aus Mispeln dazu, und wir wären im Himmelreich, sage ich Joe, der heftig nickt.
Ab und zu geht mit ihm der Gaul durch, dann schießt er Löcher in die
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