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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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Wand. Bei seinem Milchreis, der Variante eines traditionellen libanesischen Desserts, ist es sogar ein richtiger Krater. Er kann – wie jeder anständige Revolutionär – einfach nicht aufhören und wirft alles, was ihm in die Hände fällt, in den armen Milchreis: Semmelbrösel, Mozzarella, Halloumi, Orangenwasser, Rosenwasser und als Krönung der Maßlosigkeit das weihrauchartige Harz des Aprikosenbaums. Ich schlage eine andere Variante vor, eine Gewürzmilch aus Safran, Kardamom, Zimt, Ingwer und einer Prise Chili, der den Geschmack so gut am Gaumen hält. »Fabelhafte Idee«, sagt Joe, und schon machen wir uns ans Werk.

    Am letzten Abend sitze ich in einem Restaurant am Hafen von Beirut, blicke auf die lichterfunkelnden Hügel, fühle mich eher wie in Nizza als im Nahen Osten, denke über meine Erlebnisse nach – und bekomme plötzlich ein Kribbeln, das Kribbeln der Erkenntnis. Ich glaube, ich weiß jetzt, worum es geht. Jetzt habe ich es endlich begriffen: Die Küche des Libanon und vieler anderer arabischer Länder ist voller Stolz, aber ohne Ehrgeiz. Zuzeiten der Kalifen war sie unglaublich fantasievoll. Doch jetzt gibt sie sich mit einem kleinen Kanon an Klassikern zufrieden, den niemand zu verändern oder zu hinterfragen wagt. Kaum jemand denkt darüber nach, welche Möglichkeiten in dieser Küche und ihren Gewürzen stecken. Das ist ein ungehobener Schatz. Mir kommt es vor, als hätten die Leute vor vielen Jahrhunderten den Schlüssel zum kulinarischen Serail einfach weggeworfen und bis heute nicht wiedergefunden.
    Nun bin ich mir meiner Sache ganz sicher: Das eigentliche Ziel meiner Reise in die Welt der Gewürze ist nicht das Morgenland. Dort finde ich vielleicht den Schlüssel, aber nicht die Schatztruhe. Die muss ich mir selbst füllen. Bei allem Respekt vor der traditionellen libanesischen Küche ist es die Aufgabe von Köchen wie Joe Barza und mir, ihre Gerichte weiterzuentwickeln. Bei aller Würde, die diese großartigen Klassiker haben und die auch ich ihnen niemals nehmen wollte, könnten sie eine kleine Revolution ganz gut vertragen. Jetzt werde ich pathetisch und sage: Die grandiose Küche der Kalifen hat im Mittelalter die europäische Schmalkost aus dem finsteren Loch der Einfallslosigkeit geführt und sie das Raffinement gelehrt. Nun ist es an der Zeit, sich dankend mit aller Bescheidenheit dafür zu revanchieren.





DER BESTE KOCH IST DER KALIF
Das Hohelied der Kulinarik in der arabischen Welt
    D ie Geschichte der Gewürze endet nie. Sie wechselt nur ihren Schauplatz. Im 5. Jahrhundert ging das Römische Reich in den Wirren der Völkerwanderung unter, und die Finsternis brach über Europa herein. Niemand kochte mehr Nachtigallenzungen, kein Kaiser badete mehr ganze Städte in Safran, stattdessen brieten Hunnen und Vandalen Fleischbrocken ungewürzt über dem offenen Feuer. Die Straßen verfielen, der Handel kollabierte, alle staatlichen Strukturen lösten sich auf, und das einzig gültige Gesetz war das Recht des Stärkeren. Die Reste Roms überlebten zwar als Oströmisches Reich mit seiner Hauptstadt Konstantinopel, die später Istanbul heißen sollte. Doch die ehrenwerte Aufgabe, die Menschheit vor dem vollkommenen Rückfall in die Barbarei zu bewahren und die Fahne der Kultiviertheit hochzuhalten, fiel jetzt einem anderen Kulturkreis zu: dem arabisch-islamischen.
    Nicht nur Architektur und Philosophie, Medizin und Literatur, sondern auch die Kunst des Kochens und des Würzens erreichte unter den Kalifen von Bagdad und Córdoba ein fantastisches Niveau. Die islamischen Herrscher schrieben die Geschichte der Gewürze fort und stellten sicher, dass das antike Wissen über ihre aromatischen und medizinischen Wirkungen nicht verloren ging. Denn sie waren es, die die Schriften der griechischen und römischen Denker und Ärzte vor dem Vergessen bewahrten. Und davon sollte schließlich niemand mehr profitieren als das Abendland selbst.
    Gewürzhändler werden zu Missionaren
    Der Islam ist alles andere als eine lustfeindliche Religion, jedenfalls was das Essen betrifft. Ganz im Gegenteil: Er ist ein Glaube für Gourmets, der das Loblied des feinen Geschmacks singt und viel weniger kulinarische Verbote kennt als etwa das Judentum. Im Koran heißt es: »Esset von den guten Dingen, die Wir euch bereitet haben, und seid Allah dankbar.« Die Paradiesschilderungen des Korans sind voller Hinweise auf reich gedeckte Tische und Flüsse voller Wein. Die »Ingwerquelle« ist sogar eine der himmlischen

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