Meine Reise in die Welt der Gewuerze
einfachen christlichen Küche, die jede kulinarische Raffinesse für Teufelswerk hielt. Doch trotz der küchenfeindlichen Haltung der Kirche ließen sich die Menschen nicht von den Gewürzen abbringen. Die Kirche musste schließlich kapitulieren und wurde im Laufe der Jahrhunderte selbst zu einer ungestümen Gewürzliebhaberin, wie später noch erzählt werden soll.
Die Haltung der Kirche war nicht frei von Heuchelei, schließlich wimmelt es in der Bibel von Geschichten, in denen Gewürze eine Rolle spielen. Der Evangelist Matthäus schreibt zum Beispiel: »Weh euch Gesetzeslehrern und Pharisäern! Ihr Scheinheiligen! Ihr gebt Gott den zehnten Teil von allem, sogar von Gewürzen wie Anis und Kümmel, aber um die entscheidenden Forderungen seines Gesetzes – Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue – kümmert ihr euch nicht!« Und jeder kennt das Gleichnis vom Senfkorn, das zwar winzig ist, aber trotzdem mächtig wächst.
Der Untergang des römischen Imperiums
Kein Reich währt ewig auf Erden, selbst Rom nicht. Im Jahr 395 wurde das Imperium geteilt. Keine hundert Jahre später ging der westliche Teil in den Stürmen der Völkerwanderung unter, während der östliche Teil in gestutzter Form überlebte. Dadurch verschob sich der Schwerpunkt des Gewürzhandels in Richtung Oströmisches Reich, das auch Byzanz genannt wird. Dessen Hauptstadt Konstantinopel, das heutige Istanbul, stieg zur ebenbürtigen Konkurrentin von Alexandria als Umschlagplatz für Gewürze auf und entwickelte einen weltumspannenden Handel mit allen Arten von Würzmitteln, sogar mit Muskatnuss und Gewürznelken aus Indonesien. In der neuen Kaiserstadt wurde es üblich, an Fastentagen den Erbsenbrei mit Muskat zu würzen und das Wasser mit Pfeffer, Anis und Kreuzkümmel zu aromatisieren. Gewürze blieben im Oströmischen Reich ein Allgemeingut. Selbst arme Leute hatten genug davon. So beschreibt ein byzantinischer Gedichtzyklus die Vorratskammer einer einfachen Familie und erwähnt neben verschiedenen Obst- und Gemüsesorten, Käse, Oliven und Honig auch Pfeffer, Kreuzkümmel und Kümmel.
Der kulinarische Einfluss Anatoliens und des Nahen Ostens auf die römische Küche wurde nun stärker. Jetzt aß man das Fleisch von Gazellen, Wildeseln und Sperlingen und wickelte die Speisen nicht mehr in Feigenblätter ein, sondern in Weinblätter – eine Tradition, die bis heute in Griechenland und der Türkei lebendig ist. Aufwendige Süßspeisen, die häufig mit Gewürzen und Früchten verfeinert wurden, fanden nun ebenso Eingang in die Küche von Byzanz. Der erste Beleg für die Verwendung von Zucker in Europa stammt aus byzantinischer Zeit. Bis ins Mittelalter war Konstantinopel berühmt für seine Süßigkeiten – ein beliebtes Souvenir bei den durchreisenden Kreuzrittern des 12. Jahrhunderts waren Kekse und kandierte Früchte –, und Istanbul ist es noch immer.
Schluss mit Orgien und Unzucht
Mit einer ganz besonderen Spezialität der antiken Ess- und Tischsitten war allerdings Schluss, dafür sorgte gnadenlos das Christentum: mit dem sündhaften kulinarischen Lotterleben der Griechen und Römer. Mahlzeiten und Trinkgelage endeten jetzt nicht mehr in Orgien, sondern blieben gesittete Veranstaltungen. Wer ins Gasthaus ging, wusste, dass die leiblichen Genüsse auf den Gaumen beschränkt bleiben würden, wie diese Passage aus der Lebensbeschreibung des heiligen Theodor von Sykon zeigt: »An der Straße stand ein Gasthof, der von einem wunderschönen Mädchen, Maria, und der Mutter und Schwester Marias betrieben wurde . . . In dem Haus wohnte ein gottesfürchtiger Mann namens Stephanos, der sich darauf verstand, kunstfertig zubereitete Gerichte herzustellen. Die Frauen waren unterdessen recht anständig geworden, denn sie hatten ihren Beruf als Prostituierte aufgegeben und waren dem Pfad der Nüchternheit und Frömmigkeit gefolgt.«
D ie Römer waren ein Volk mit tausend Talenten. Niemand übertraf sie als Baumeister, Ingenieure, Militärstrategen, Kaufleute, Köche. Nur für eine Profession hatten sie offenbar nicht die geringste Begabung: für den Beruf des Arztes. Und so waren sie klug genug, sich erst gar nicht auf dem Feld der Medizin zu versuchen, sondern überließen es den Griechen, die seit Hippokrates die besten Ärzte der Antike hervorgebracht hatten. Die Griechen, allen voran Dioskurides und Galen von Pergamon, bedankten sich auf ihre Art für so viel Vertrauen: Sie sorgten dafür, dass die antike Heilkunst im Römischen Reich ihren
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