Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Ostasien und Südostasien jetzt lieber selbst, als sie zu exportieren. Manche Historiker sprechen deswegen vom »Eisernen Vorhang des Islam« in dieser Zeit. Er war allerdings immer durchlässig für Gewürze. Aus dem Strom wurde eben nur ein Rinnsal.
Der Gewürzhandel zwischen Morgenland und Abendland wurde erst wieder im 9. und 10. Jahrhundert und vor allem nach dem ersten Kreuzzug (1096 –1099) stärker. Denn inzwischen hatte sich die Lage in Europa nach dem Durcheinander der Völkerwanderung beruhigt. Immer mehr exotische Gewürze tauchten auf den europäischen Märkten auf, immer mehr arabische Händler zogen in den Fernen Osten, um den wachsenden Bedarf zu decken. Und immer größer wurde die Sehnsucht der Europäer nach der Quelle der Gewürze: Der Orient mit seinen »Spezereien«, das unerreichbar ferne »Pfefferland«, dieses herbeigesehnte »Zimtgärtlein« im tiefsten Herzen Asiens, wurde zum Sinnbild für den Garten Eden. Lange Zeit ahnten die Europäer nicht, dass es das Paradies auf Erden nicht nur sinnbildlich, sondern auch tatsächlich gab, jedenfalls in kulinarischer Hinsicht. Denn im frühen Mittelalter wurde im Orient unendlich viel besser gekocht und gegessen als im Abendland.
Der beste Eintopf im Leben des Kalifen
In ihrer Liebe zum guten Essen standen die Araber den Römern in nichts nach, im Gegenteil. Man hat fast den Eindruck, dass die Kalifen die Kaiser in ihrem kulinarischen Fanatismus noch übertreffen wollten. Unter Kalif Harun al-Raschid wurde im 9. Jahrhundert das Essen zum alles beherrschenden Thema am Hof von Bagdad – und sollte es jahrhundertelang bleiben. Dutzende, wenn nicht Hunderte von Kochbüchern wurden mit dem Wohlwollen der Kalifen geschrieben und tausendfach kopiert. Nirgendwo sonst auf der Welt gab es bis zum 15. Jahrhundert eine solch reiche Kochbuchliteratur wie in den islamischen Ländern. In Europa herrschte im Vergleich dazu kulinarisches Analphabetentum.
Viele Kalifen verbrachten die meiste Zeit des Tages in der Küche und delegierten die Regierungsgeschäfte an die Wesire. Manche Historiker sind sogar der Ansicht, dass die erstaunliche Machtfülle der Wesire in der Geschichte des klassischen Arabiens keinen anderen Grund als die Kochleidenschaft der Kalifen hatte. Von jedem Edelmann wurde ein profundes Wissen über die Kunst der Küche erwartet, kulinarische Ignoranz war geradezu eine Todsünde. Kochwettbewerbe, an denen oft die Söhne des Herrschers teilnahmen, waren ein beliebter Zeitvertreib. Und manchmal machte sich der Kalif einen Spaß daraus, höchstpersönlich im Tigris einen Fisch zu fangen und ihn für zwei Liebende inkognito zuzubereiten. So schildert es eine Szene aus der arabisch-persischen Geschichtensammlung »Tausendundeine Nacht«. Dass die gute Küche kein Privileg der feinen Leute war, zeigt diese Anekdote über den 861 gestorbenen Kalifen al-Mutawakkil: Eines Tages saß er am Ufer und war betört vom Duft eines Eintopfs, den ein Seemann auf seinem Schiff zubereitete. Er ließ sich eine Schüssel kommen, war wie von Sinnen und schickte sie mit Geld gefüllt zurück. Denn es sei, so versicherte er, der beste Eintopf seines Lebens gewesen.
Die wunderschöne Königin der Vorspeisen
Am Hofe erlaubten sich die Kalifen ganz andere Extravaganzen. So wurden kunstvolle Gesänge auf raffinierte Speisen zu einer wichtigen literarischen Gattung: Jeder Gast trug ein Gedicht zu Ehren eines von ihm erwünschten Gerichts vor, das dann sofort genauso von den Köchen zubereitet und serviert wurde. Als einmal ein Feinschmeckerpoet die Zartheit des Spargels besang, dieser aber in der Kalifenküche fehlte, schickte man umgehend einen Reiter los, um das edle Gemüse aus Damaskus herbeizuschaffen. Kochkünste konnten sogar Leben retten: In der Mitte des 9. Jahrhunderts kam Kalif al-Muhtadi nach einem Umsturz an die Macht und wütete fürchterlich unter seinen Feinden. Doch den Wesir Abu Nuly al-Khatib verschonte er – weil ihm dessen Mutter immer eingelegte Gewürze so zart wie Nougat und Oliven so groß wie Eier geschenkt hatte.
Der wohl berühmteste kochende Hocharistokrat war Prinz Ibrahim bin al-Mahdi, Verfasser einer weitverbreiteten Rezeptsammlung, Erfinder von Küchenklassikern wie dem nach ihm benannten Fleischeintopf Ibrahimiya, Halbbruder des Kalifen Harun al-Rahid und Bruder im Geiste des großen römischen Schlemmers Marcus Gaius Apicius. Als der Prinz eines Tages Harun al-Rashid eine Freude machen wollte und ihm ein Gericht aus 150 Fischzungen
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