Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Freuden. Und ein asketischer Kostverächter war der Prophet Mohammed ganz gewiss nicht, auch wenn er und seine Gefährten in der Wüste notgedrungen einfach aßen. Doch er befand: »Die göttlichste Speise dieser Welt und des Paradieses ist Fleisch.« Er liebte auch Datteln und Honig und kannte sich bestens mit Gewürzen aus, weil Mekka seit babylonischen Zeiten ein Knotenpunkt des Karawanenhandels vom Jemen nach Syrien, Ägypten und Mesopotamien war.
Nach dem Tod des Propheten Mohammed 632 breitete sich der Islam wie eine Springflut im gesamten Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika aus. Keine achtzig Jahre später, im Jahr 711, begann die Eroberung der Iberischen Halbinsel, die für fünf Jahrhunderte zu großen Teilen unter islamischer Herrschaft stand. Bagdad im Osten und Córdoba im Westen wurden zu den Zentren der islamischen Welt, und die Pracht, die sich dort entfaltete, sprengte jedes Maß der Vorstellung – eine Ahnung davon bekamen die Europäer, als Kalif Harun al-Rashid um das Jahr 800 Kaiser Karl dem Großen einen goldgeschmückten weißen Elefanten schenkte; und noch heute kann man es ahnen, wenn man im Pfeilerwald der Mezquita von Córdoba steht, der wahrscheinlich schönsten Moschee, die jemals gebaut worden ist.
Der rasend schnelle Erfolg des Islam verdankte sich nicht zuletzt dem Gewürzhandel. Denn die Missionare des neuen Glaubens nutzten ihre alten Kontakte als arabische Gewürzhändler, um die Botschaft des Propheten in alle Welt zu tragen. Die Infrastruktur und die Kommunikationswege waren vorhanden. Jetzt wurde auf ihnen nicht mehr nur Muskat aus Indonesien transportiert, sondern auch das Heilsversprechen des Islam. Und es ist bezeichnend, dass Mohammed selbst die Witwe eines reichen Gewürzhändlers heiratete.
Die Tinte der Weisen ist wertvoller als das Blut der Märtyrer
Die Söhne der Wüste ließen ihre karge Heimat hinter sich, kamen in Kontakt mit Hochkulturen wie Byzanz, Persien und Ägypten – und konnten gar nicht glauben, wie schön die Welt ist. Besonders beeindruckte sie Damaskus. Die Stadt war eine Offenbarung, ein kosmopolitisches byzantinisches Kolonialzentrum inmitten einer fruchtbaren Landschaft, umringt von Weinstöcken, Weizenäckern, Rosengärten und Feldern voller Apfel-, Aprikosen-, Pflaumenbäume – und die Anhänger Mohammeds machten das einzig Richtige: In der Mitte des 7. Jahrhunderts verlegten sie ihre Hauptstadt aus der saudischen Wüste hierher. Dieser Ort der Wunder sollte unter islamischer Herrschaft weiterhin eine der vibrierendsten Städte des Orients bleiben. Selbst Kosmopoliten wie den marokkanischen Weltreisenden Ibn Battuta setzte er in Erstaunen. Damaskus, schrieb er, »steht dort, wo Kain seinen Bruder Abel getötet hat, und ist eine außergewöhnlich noble, glorreiche und schöne Stadt, reich gefüllt mit allen Arten von Handelswaren, mit Gewürzen, Edelsteinen, Silber, golddurchwirkten Kleidern, Parfüm aus Indien, dem Land der Tartaren, Ägypten, Syrien und unserer Seite des Mittelmeers.«
Damaskus war eine Metropole, die vor Gewürzen duftete, und die Muslime integrierten sie nach den Vorgaben des Korans in ihre Küche. Mohammeds Lieblingsspeise Tharid zum Beispiel, ein Fleischeintopf mit Brot, wurde jetzt mit Zimt und Kardamom verfeinert. Auch in seiner kulinarischen Kultur bewies der Islam also, dass eine seiner größten Stärken das Aufnehmen und Verschmelzen fremder Einflüsse ist. So wie ihm in der Architektur eine Synthese byzantinisch-persisch-arabischer Elemente gelang, etwa in der großen Omayyaden-Moschee von Damaskus, so sog er fremde kulinarische Einflüsse auf und schuf daraus völlig Neues. Heute vergessen wir oft, dass der Islam eine Religion der Wissbegier ist, der Offenheit und Neugier, nicht der Intoleranz. Ein islamisches Sprichwort sagt alles: »Die Tinte der Weisen ist wertvoller als das Blut der Märtyrer.«
Sehnsucht nach Pfefferland und Zimtgärtlein
Der Siegeszug des Islam war nicht aufzuhalten. Im Jahr 641 eroberten die Araber Alexandria, das Welthandelszentrum für Gewürze, und erlangten damit die Kontrolle über den Gewürzhandel mit Europa. Allerdings gab es damals kaum Nachfrage aus dem im Chaos versinkenden Abendland. Und die Menschen im Frühmittelalter waren so sehr mit ihrem blanken Überleben beschäftigt, dass sie weder Zeit noch Kraft für eine kultivierte Küche hatten. Außerdem hatten sich die Araber wie ein Riegel zwischen Abendland und Fernen Osten geschoben und konsumierten die Gewürze aus
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