Meine Reise in die Welt der Gewuerze
Kombination mit Chili und edelsüßem Paprika liefert sie genau dieses Raucharoma.
Neben dem berühmten Harissa ist in Tunesien noch eine zweite Gewürzmischung allgegenwärtig – lediglich außerhalb des Landes wurde sie nie so bekannt wie die scharfe Chili-Paprika-Mixtur. In anderer Hinsicht ist Tabil dafür umso typischer für einen Umgang mit Gewürzen, wie er besonders in Nordafrika praktiziert wird: Die Mischung wird für die verschiedensten Gerichte eingesetzt. Und eine Standardrezeptur gibt es auch nicht. Jede Familie bewahrt ihr eigenes Tabil-Rezept wie ein wohlgehütetes Geheimnis.
D urch mündliche Überlieferung über Generationen hinweg wurde Tabil zu einer der beständigsten Gewürzmischungen, die im arabischen Raum zu finden sind. Tunesien war in seiner Geschichte vielen europäischen Einflüssen ausgesetzt – durch die Sizilianer, die Besetzung der Spanier oder das 75 Jahre währende französische Protektorat, das 1956 mit der Unabhängigkeitserklärung endete. Alle diese Machtverhältnisse schlugen sich in für die heutige Landesküche typischen Zutaten nieder. Die Zusammensetzung des »Allzweckgewürzes« Tabil mit der scharfen, süßlichwürzigen Note aber blieb davon unberührt: Das Grundgerüst dafür bilden Koriander, Knoblauch, Kerouia-Kümmel (eine nur in Tunesien verwendete Kümmelart) und Chili. Hinzu kommen, je nach Familientradition, Ingwer, Fenchel und Zimt, manchmal auch Piment.
Nicht wenige dieser Komponenten fanden sich bereits in den Töpfen unserer Urahnen, allen voran der Koriander, der von der Menge her die Mischung dominiert und ihr auch den Namen gab: Tabil ist das arabische Wort für »Koriander«. Archäologen entdeckten seine Spuren in Steinzeitsiedlungen, er wird im Alten Testament erwähnt und spielte in der Antike eine wichtige Rolle sowohl in der Küche wie auch in der Medizin. Seine Heilkraft prägt auch die Gesamtwirkung von Tabil: Neben ätherischen Ölen, die den Fluss von Speichel, Magen- und Gallensäften fördern, enthalten die Samenkörner Flavonoide, pflanzliche Stoffe, die die für die Zellstrukturen des Körpers so schädlichen freien Radikale bekämpfen. Knoblauch wirkt sich ebenfalls günstig auf die Verdauungstätigkeit aus. Und der Kümmel, der hier an die Stelle des sonst in der arabischen Küche omnipräsenten Kreuzkümmels tritt, ist nicht nur generell wohltuend für den Magen-Darm-Trakt, sondern kann auch krebsauslösende Stoffe behindern. Dieser beeindruckende gesundheitliche Effekt lässt sich sogar erheblich steigern, wenn die Mischung durch Ingwer erweitert wird, weil die medizinisch höchst wertvolle Knolle nicht nur den positiven Einfluss der anderen Zutaten auf die Verdauung unterstreicht, sondern zudem die Blutfettwerte verbessert und Erkältungsviren hemmt.
Neben der Heilwirkung gibt es noch eine andere Eigenschaft, die Tabil wertvoll macht: seine Vielseitigkeit. Traditionell wird die Mischung nicht nur zum Aromatisieren von Schmorgerichten benutzt, sondern auch für Hackfleisch und verschiedenste Gemüsesorten. Und damit die gesundheitlich relevanten Inhaltsstoffe der Gewürze ihre Wirkung wirklich entfalten können, ist nichts so wichtig wie deren regelmäßiger Genuss.
Es war gar nicht so einfach, ein Tabil zu finden, das so gut war, dass ich mich daran orientieren wollte. Das merkte ich spätestens, als ich mich durch die Gewürzstände in den Suqs von Tunis probierte. Schließlich verfrachtete mich mein Begleiter – ein enger Mitarbeiter, der gebürtiger Tunesier ist – in ein Auto, und wir fuhren zu seiner weit abgelegen auf dem Land lebenden Großmutter. Die verriet mir ihre sagenhafte Mischung und stand mir später per Telefon mit Rat und Tat zur Seite, als ich, zurück in München, an meinem eigenen Tabil arbeitete.
Der Name Berbere ist auf den ersten Blick irreführend: Die Gewürzmischung hat nichts mit der Ethnie der Berber zu tun, sondern stammt aus den heutigen Staaten Äthiopien und Eritrea. Dort hatte sich Anfang des 4. Jahrhunderts das Christentum ausgebreitet, dessen Küche sich stark von der der umliegenden Regionen unterschied. Eine der wichtigsten Zutaten wurde das scharf-würzige Berbere, mit dem vor allem Linsengerichte gewürzt wurden. Jetzt wird es gern für die in Äthiopien sehr beliebten Gemüseeintöpfe verwendet. Darüber hinaus passt es perfekt zu Fleisch.
D ie Schärfe, das herausragende Merkmal von Berbere, ist nicht nur typisch für die Küche jener im Nordosten Afrikas lebenden orthodoxen
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