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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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täglich an und ließ sich einen Lagebericht geben.
    »Na siehst du, hab ich dir doch gesagt. Ihr werdet wunderbar zurechtkommen.«
    »Ja, ja«, sagte ich und dachte: Klugscheißer.
    Nach zehn Tagen wollte ich dann doch von meinem Mann wissen, wann er gedachte, wieder nach Hause zu kommen.
    »In ein paar Tagen, Paula. Bin fast fertig.«
     
    Mitten in der Nacht weckte mich das Schrillen des Telefons. Schlaftrunken ging ich ran. Aufgelegt, Nummer unbekannt. Ich sah im Display, dass »Nummer unbekannt« schon dreizehn Mal angerufen hatte. Der Klingelton hatte es schwer, gegen Deduschkas Schnarchen anzukommen.
    Ich setzte mich ins Bett und wartete. Rrring-rrring. Na also.
    »Ja, hallo?«
    »Paula?«
    »Ja. Wer ist denn da?«
    »Ich.«
    Artjoms Stimme, kaum zu erkennen. Sein voller Bass zusammengeschnurrt auf ein klägliches Fiepen.
    »Schatz, ist was passiert?«
    »Paula, kannst du kommen?«
    »O Gott, was ist denn?«
    »Kannst du kommen, bitte?«
    »Ja klar, äh, wo bist du denn?«
    »Hannover.«
    »Artjom, Hannover ist groß.«
    »Im Hotel Luisenhof, Piano-Suite.« Schniefen.
    »Jetzt sag doch, was los ist.«
    »Stell jetzt bitte keine Fragen. Komm einfach her.« Schluchzen.
    »Okay.«
    Ohne weiter nachzudenken, zog ich mich rasch an, schmiss mich ins Auto und raste nach Hannover. Auf der Fahrt schlug mein Hirn Purzelbäume, ich stellte mir die schrecklichsten Dinge vor, die passiert sein konnten. Ein Unfall. Ein Überfall. Ein Schlaganfall. Die Autobahn war leer, ich brauchte knapp eineinhalb Stunden, das Navi führte mich sicher zum Hotel.
    Der Empfang war verwaist, die Suite fand ich trotzdem. Ich riss die Tür auf und sah meinen Mann in einem äußerst derangierten Zustand auf dem Boden neben der Minibar hockend. Ein erbarmungswürdiger Haufen pures Elend in einem blutbefleckten, zerrissenen Hemd, die Haare verklebt, die Lippe aufgeplatzt, die Nase schief.
    »O Gott, hast du dir die Nase gebrochen?«
    »Weissnich«, nuschelte er, stand schwankend auf und ließ sich sofort wieder entkräftet in einen Sessel fallen. Ich eilte zu ihm und schloss ihn in die Arme.
    »Aua, nicht so doll«, jaulte er.
    Ich schaute mich um. Der Raum sah nicht viel besser aus als der Mann. In einer Ecke stand ein zertrümmertes Klavier, ein Glastisch war umgekippt, der Boden von Flaschen, Spielkarten, Scherben und Flecken übersät. War das etwa Blut?
    »Bist du überfallen worden? Wir müssen sofort die Polizei rufen.«
    »Die war schon da«, sagte Artjom.
    »Ach? Was war denn eigentlich hier los? Jetzt erzähl doch endlich.«
    Artjom räusperte sich umständlich und faselte etwas von einer kleinen, ausgelassenen Feier unter Freunden, die leider, leider leicht eskaliert sei, da zwei der Herren Streit bekamen. Ich glaubte ihm kein Wort.
    »Artjom, hier sieht’s aus, als hätte eine Schlacht stattgefunden. Raus mit der Sprache – oder ich fahre wieder.« Drohend ging ich zur Tür.
    »Pauuuula!«
    »Los, erzähl!«
    »Also, das war so …«
    Tatsächlich habe er sich hier mit Freunden getroffen. Ein klassischer Herrenabend. Gute Getränke, gute Gespräche, gute Kartenspiele. Vielleicht sei man ein wenig laut gewesen, irgendwann jedenfalls habe der Hotelmanager vor der Tür gestanden und um Ruhe gebeten. Dieser Bitte habe man selbstverständlich versucht nachzukommen – ohne übermäßigen Erfolg.
    Nun ja, noch ein wenig später seien dann unbekannte Männer ins Zimmer gestürmt, es sei zu einer handfesten Rauferei gekommen, nach deren Ende sich herauskristallisierte, dass es sich bei den Schlägern um Polizeibeamte in Zivil handelte. Die Polizisten hätten dann das Geld beschlagnahmt und seien wieder gegangen.
    »Welches Geld?«, fragte ich.
    »Also, wir haben um ein bisschen Geld gespielt. Sonst macht’s ja keinen Spaß.«
    »Wie viel?«
    »Weiß nicht so genau, nicht viel.«
    »Artjom, wie viel!«
    »Na ja, ungefähr dreißigtausend Euro …«
    Mir blieb kurz die Luft weg. Ich starrte meinen Mann an. Hübsches Sümmchen, dachte ich in einem Anflug von Irrationalität, damit kann man’s krachenlassen. Artjom missverstand meinen Gesichtsausdruck und versuchte es mit dem Hundeblick. Er hatte keine Chance.
    »So, mein Lieber, ich fasse das noch mal zusammen: Du triffst dich mit Freunden zum Kartenspielen. Richtig?«
    »Ja.«
    »In einer Hotelsuite. In Hannover. Richtig?«
    »Äh, ja.«
    »Dann kommen Zivilbeamte, schlagen euch zusammen und stecken dreißigtausend Euro ein. Richtig?«
    »Genau so war’s.«
    Einen Augenblick schwiegen

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