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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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Monate.«
    »Bitte?«
    »Ach, Paula«, Artjom lachte, »die paar Tage!«

[home]
    13
    D eduschka kam, sah und blieb. Artjom ging.
    Kaum dass sein Großvater sich im Gästezimmer eingerichtet hatte, überraschte mich mein Mann mit der Mitteilung, er müsse geschäftlich verreisen, wie lange, könne er nicht genau sagen, aber er sei ja stets übers Handy erreichbar.
    »Ihr kommt schon klar.«
    »Lass mich nicht mit Alexej allein, bitte!«
    »Ach, Paula, ihr werdet euch super verstehen. Deduschka ist pflegeleicht. Der braucht nicht viel.«
    Das brauchte er wirklich nicht. Denn das meiste hatte er mitgebracht. In den Tiefen seines Gepäcks fanden sich Lebensmittel, Getränke, Werkzeuge, Bücher, Geschirr. Ein ganzer Koffer war bestückt mit Medikamenten, Verbandszeug und chirurgischen Gerätschaften. Dem deutschen Gesundheitssystem stand er offensichtlich skeptisch gegenüber. Ich konnte nur inständig hoffen, dass keiner von uns krank würde.
    Großen Wert legte er auch auf die Ernährung. Ich hatte den Kühlschrank bis obenhin mit Fleisch vollgepackt. Alexej stand davor und fuhr sich ratlos mit seiner Pranke über den Bürstenhaarschnitt.
    »Nicht in Ordnung?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. Nur die frischen Eier des Matthesschen Haushuhns hieß er gut. Ich fuhr mit ihm in einen Supermarkt, und er erstand kiloweise Gemüse, Kartoffeln und Reis.
    Jeden Morgen stand er um vier Uhr fünfundvierzig auf, ging in seinem gestreiften Pyjama, der ein wenig an Sträflingskleidung erinnerte, auf den eisigen Balkon und begann den Tag mit seiner Morgengymnastik. Dazu gehörte, dass er sich ab der fünfzigsten Kniebeuge lautstark anfeuerte und zur Höchstleistung zwang. Danach sprang er unter die Dusche, schmetterte eine Arie und setzte das Bad unter Wasser. Um sein Immunsystem weiter zu stärken, frühstückte er bei geöffneten Fenstern und hörte dabei mit einem Kurzwellenempfänger einen russischen Radiosender.
    Mann, Mann, Mann, ist der laut, dachte ich. Da seine Vorliebe für immer gleiche Abläufe aber meinem Naturell entsprach, sagte ich nichts.
    Wenige Tage nach seiner Ankunft beschwerten sich die ersten Nachbarn, allen voran Frau Hinrichs.
    »Sagen Sie mal, Frau Matthes, was ist das denn für ein Lärm bei Ihnen? So geht das aber nicht.«
    »Entschuldigen Sie, Frau Hinrichs. Der Großvater meines Mannes ist zu Besuch. Der alte Herr ist schon etwas schwerhörig und merkt gar nicht, …«
    »Ihres Mannes? Seit wann haben Sie denn einen Mann?«
    »Aber Frau Hinrichs, Sie kennen doch Herrn Polyakow.«
    »Ich dachte, das ist der Mandant mit Liebeskummer.«
    »Ja, äh, wir haben geheiratet.«
    »Na, der hat sich ja schnell getröstet.«
    Zum Glück verließ Alexej früh am Vormittag die Wohnung und machte sich auf zur Datscha, um dort anstehende Reparaturen zu erledigen. Gegen Mittag schaute er stets auf ein Schwätzchen in der Kanzlei vorbei und hielt Irina und mich von der Arbeit ab. Dann verschwand er wieder mit unbekanntem Ziel, um pünktlich um achtzehn Uhr zurückzukehren und mich von der Arbeit abzuholen.
    Er kochte, wir aßen gemeinsam zu Abend, oft stießen Rostislav und Darya zu uns. Meine Schwiegermutter war in Anwesenheit ihres Schwiegervaters auffallend still. Erst hielt ich das für ein Zeichen des Respekts. Später wurde mir klar, dass die beiden sich nicht ganz grün waren. Alexej zählte zu den wenigen Menschen, die sich Daryas Launen nicht unterwarfen.
    Nach dem Abendessen setzte Deduschka sich vor den Fernseher, guckte schnulzige Liebesfilme und Serien und schrieb dabei eifrig etwas in eine Kladde. Heimlich warf ich einen Blick in dieses Heft und sah, dass er sich Vokabeln notierte. Er lernte Deutsch. Und um einundzwanzig Uhr fünfzehn ging er zu Bett.
    Anfänglich war es mir unangenehm, fast unheimlich, mit diesem fremden Koloss die Wohnung zu teilen. Aber in seinem Bärenkörper steckten ein freundliches, sanftmütiges Wesen und ein hellwacher Geist. Unser neu strukturierter, minutiös geregelter Tagesablauf gab mir Halt, und ich gewöhnte mich an ihn. Nach einer Woche war es, als sei er immer schon da gewesen.
    Mutter und Rostislav machten mehrere Stadtrundfahrten mit Deduschka. Ich besorgte ihm einen Stadtplan und einen Reiseführer von Hamburg auf Russisch. Er fand sich sofort zurecht und durchstreifte die City von links nach rechts, von oben nach unten. Auch die fremde Sprache bereitete ihm wenig Probleme. Er sprach zwar nur Russisch, verstand aber alles, was ich auf Deutsch sagte.
    Artjom rief

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